#Prosa
#Debüt

Nehmen Sie mich beim Wort

Peter Clar

// Rezension von Judith Gröller

Am Anfang waren die Anrufungen und das Spiel mit den Identitäten: Niemand geringerer als Diotavelli, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist werden hier gleich zu Anfang im Debüt-Text von Peter Clar heraufbeschworen: Diese scheinen auch notwendig, denn: „Also da liebt X die Y, (…) Lebenswelten stürzen ein für X, als er erfährt, dass Y nicht so will, wie er gerne wollte, also weil sie nicht so verliebt ist, wie sie sein sollte (…).“ Was anmutet wie der Auftakt zu einer der weiteren tragisch verlaufenden Liebesgeschichten zweier Twenty-somethings, entpuppt sich rasch als Meta-Text, der die (Selbst-)Reflexionen eines jungen Autors freisetzt.

Peter Clar, Jahrgang 1980, ist selbst gelernter Komparatist und Germanist und das merkt die LeserIn. Der Preisträger des Literaturwettbewerbs „Wort am Zug“, der eigentlich aus der Poetry Slam- und open mike-Culture kommt, vergibt sich in seinem Debüt nichts: Sprachwitz (Kalauer in Jelinek-Tradition), Sprachreflexionen („Wie zufällig fallen mir die Worte aufs Papier, ich setze den Stift an und konzentriere mich und schreibe!“), Zitate und Anspielungen auf lebende wie verstorbene AutorInnen unterbrechen hier die Narration der Schicksale und die Antiliebesgeschichte von X und Y.

Ort des gebrochenen Erzählens ist Wien, die LeserIn begleitet den umtriebigen Protagonisten X auf seinen Lokalwanderungen in den „Bobo“-Grätzln im siebten Bezirk. Y, die im Gegensatz zu X, einem geregelteren Tagesablauf nachgeht, beobachten wir beim Laufen in Schönbrunn und bei Lesungen in der Alten Schmiede. Doch so einfach ist das alles nicht, Clar belässt es nicht bei einem trivialen und konventionellen storytelling, stattdessen wird hier der Frage nach der Autorposition („also mein Autor-Ich und mein Erzähler-Ich und mein Ich-Ich“) auf der Metaebene nachgegangen. Mit Barthes wissen wir, dass ein Text ein Gewebe von Zitaten ist, die Autonomie einer/s AutorIn nicht gegeben ist. Mit diesem Subwissen spielt der unzuverlässige Erzähler/Autor/das Ich Peter Clar voller Selbstironie („Woher aber soll ich wissen, was X denkt und Y denkt“), verdoppelt er Realitäten in stabile und instabile Welten. Die Stellung des Erzählers wechselt von unbeteiligtem Beobachter zu beteiligtem Erzähler und vice versa. Dazu kommt noch die Nähe bzw. Verwechslung zwischen / mit dem Protagonisten X und dem Erzähler: „mische ich da meine Person nicht mit Xs?“ Aber um fragliche autobiografische Vertauschungen geht es in „Nehmen Sie mich beim Wort“ natürlich nicht, vielmehr wird vorgeführt, was wir spätestens seit Barthes und Foucault wissen, dass einzelne Autoren nicht mehr die genialen Schöpfer eines Werkes sind, dem sie vorangehen, und auch nicht mehr die unendliche Quelle an Bedeutungen darstellen. Voller Selbstironie nimmt Clar sich selbst in seiner Autorposition auf die Schaufel und übt auch kokette Selbstkritik: „vielleicht sollte ich mir mein Schandmaul mal mit Seife auswaschen, metaphorisch gesehen, meine Hand sollte ich mir abhacken, bevor ich ein Wortspiel nach dem anderen, ein Zitat nach dem anderen in meinen Text einbaue.“ Auf die immer wieder kehrende Frage „Wer spricht?“ könnten wir mit Foucault antworten „Wen kümmert’s, wer spricht?“ oder mit Clar die Sprache als einzige Autorität anerkennen: „willenloses Ich macht die Sprache mit mir, was sie will.“

Wer aber, nach all den entscheidenden Fragen zur Autorposition, doch noch immer wissen will, ob X und Y zueinander finden, sollte sich schnellstens Clars Debüt schnappen und darüber staunen, wie der dramatisierte Erzähler am Ende von den beiden Protagonisten zum Verschwinden gebracht wird.

Peter Clar Nehmen Sie mich beim Wort
Prosa.
Wien: Sonderzahl, 2009.
123 S.; geb.
ISBN 978 3 85449 310 5.

Rezension vom 04.10.2009

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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