#Roman
#Prosa

Narr

Gerd Schilddorfer, David G. L. Weiss

// Rezension von Angelo Algieri

Der österreichische Bundeskanzler ist tot! Umgebracht auf hinterlistige Art – als er sich in Sicherheit fühlte. Zuvor starben der Innenminister – erschossen und aufgehängt – und die Familienministerin durch einen mit Gift getränkten Tampon. Diese Staatskrise in Österreich ereignet sich zum ungünstigsten Zeitpunkt: Mitten in der Finanzkrise, als die Staats- und Regierungschefs sich Ende August 2009 in Wien einfinden. So lässt das österreichische Autorenduo Gerd Schilddorfer und David G.L. Weiss seinen Thriller Narr beginnen, das Buch ist im Münchner LangenMüller Verlag erschienen.

Wie bereits in ihrem ersten Thriller Ewig kommt der Plot nicht ohne Historie aus. Im ersten Buch stand ein Geheimnis um Kaiser Friedrich III. im Mittelpunkt. Die beiden bewährten Protagonisten Georg Sina, Historiker, und Paul Wagner, Journalist, ermitteln auf eigene Faust. Grund: Sina fand seinen Doktorvater aufgehängt an einem Baum im Burgenland. Welches Geheimnis hatte er entdeckt, dass er für andere gefährlich war?

In der Zwischenzeit findet sich im Untergrund ein Etui, das eine Botschaft enthält. Die Finder können sie jedoch nicht entschlüsseln und suchen einen Sammler auf, der ihnen helfen soll. Doch soweit kommt es nicht. Denn der Sammler wird vor den Augen der Protagonisten Sina und Wagner erschossen – bevor die Botschaft entschlüsselt werden kann. Es stellt sich bald heraus, dass es noch drei weitere solcher Botschaften gibt. Doch was haben diese Botschaften mit den Morden an den Politikern zu tun? Und warum sind einige Personen so scharf darauf, die Botschaften abzufangen?

Die Zeit rennt. In einer Gruft entdecken Wagner und Sina weitere Indizien aus der Zeit Metternichs und einen mysteriösen kleinwüchsigen Mann. Letzterer scheint die Spuren gelegt zu haben – doch warum? Sina und Wagner kombinieren und finden in der Universität einen entscheidenden Hinweis, der für die Verschwörer wichtig ist. Doch nicht genug: Das Ganze gipfelt darin, dass der Staatspräsident von den Verschwörern erpresst wird, binnen 24 Stunden zurückzutreten und sein Amt niederzulegen. Andernfalls würden in Wien Senfgasgranaten explodieren. Der Staatspräsident weiß sich nicht zu helfen und beauftragt, da er niemandem in der Kanzlei traut, den Vater von Sina, der Polizeidirektor ist, die Explosion der Senfgasgranaten zu verhindern. Gemeinsam mit einem gut organisierten und fachkundigen Team übernehmen Sina und Wagner diese Aufgabe. Doch wer steckt hinter der Verschwörung? Wem kann man noch trauen? Und wie gefährlich ist Senfgas?

Eins ist gewiss: Die Geschichte bleibt bis zur letzten Seite atemberaubend und spannend – auch dank der bildreichen Sprache des Autorenduos. Zusätzlich ist die Verschwörung, die im 18. Jahrhundert fußt, nachvollziehbar und plastisch erzählt. Dieser Thriller ist weitaus mehr als pure Unterhaltung. Denn zum einen erklärt er en passant einiges aus der Geschichte Österreichs. Geschickt und spannend betten die Autoren Schilddorfer und Weiss wissenswerte historische Details in die Story ein. Zum anderen greifen die Autoren ein Phänomen auf, das auch ohne Verschwörung zum Vorschein kommt: Politikverdrossenheit. Das Autorenduo zeigt eindrücklich, wie Politiker sich vom Volk entfernt haben. Dabei verzichten Schilddorfer und Weiss auf dumpfe Politikerklischees und zeichnen dennoch ein erschreckendes Bild. Sollte es zu einem Staatsstreich kommen, würden die Verschwörer aufgrund der Politik- und Demokratieverdrossenheit auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stoßen. Gerade bei so „günstigen“ Gelegenheiten wie einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Und das ist der eigentliche, besorgniserregende Thrill!

Narr.
Thriller.
München: LangenMüller, 2010.
656 Seiten, broschiert.
ISBN 978-3-7844-3235-9.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autoren

Rezension vom 12.01.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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