So einfach ist das Reisen durch Barbara Eders sieben Erzählungen nicht. Hier erwartet den Leser keine heitere Reise, keine leichte Kost. Ihr schmaler Erzählband Morsezeichen der Zikaden legt einem ständig Steine in den Weg. Ihre Geschichten entführen an Orte, an denen man nur ungern bleiben möchte. Als LeserIn. Und auch als Heldin.
Und doch reist man gerne mit Eders Augen. Die Ortsbestimmung wird gleich zu Beginn des Buches programmatisch festgelegt – „Kaukasien liegt nicht in Kakanien“ – und die Distanz genau auf der Landkarte vermessen: „Armenien ist mehr als achtzehn Finger Luftlinie entfernt von Europa.“ Die Welt, die uns die Autorin zeigt, ist eine – nicht nur geographisch – sehr weit entfernte und sehr fremde. „Haltestellen gibt es keine, Fahrpläne hat es nie gegeben.“ Und auch ein Entkommen aus diesen Orten der Verbannung gibt es nur schwer. „Die Dauer des Aufenthalts: vorerst unbestimmt.“ Eders Heldinnen träumen „von anderswo.“ Ihr Standort ist „nicht hüben. Nicht drüben.“ Sondern ein „Darüber hinaus, weiter entfernt.“
Mit entrückten Bildern nähert sich Eder dieser entfernten Welt. Einer Welt, die sich zum Bereisen kaum eignet und die so gar nicht zum Verweilen einlädt. Frei assoziierend fängt sie das Fremde ein. Poetisch portioniert sie es in kleine Happen, um es besser verdaulich zu machen. In der Erzählung „Aljonkas Augen“ beispielsweise verpackt sie diese Welt nach dem Zerfall des Sozialismus in jenes Schokoladenpapier, von dem immer noch Aljonka herunterblickt, als ob sie „sich noch heute vor Stalin fürchten müsse“.
Sieben kurze Erzählungen. Sieben Reisen. Sieben Frauen. Sieben Begegnungen. Mit einer Welt, die von Armut und Korruption zerfressen ist. Mit einer Welt, in der „eine Blinddarmoperation mehr kostet als ein Jahreseinkommen“. Mit einer Welt, in der „das Leben wertlos ist“. Mit einer Welt, in der keine Spielregeln zu gelten scheinen. Mit einer Welt, die längst verloren und vergessen am Rande Europas existiert.
Eders Reisegeschichten sind nicht nur aussichtslos. Sie sind irritierend und ebenso poetisch wie wehmütig und voller Melancholie. Sie erscheinen als Bruchstücke einer unübersetzbaren und manchmal – wie in der vorletzten Erzählung „Gestörte Maschinen“ – wie durch eine „feine, fonetische Nuance“ entrückten Welt. Wie alte, fragmentarische Filmsequenzen. Voller Kratzer, in Schwarz-Weiß. Oder wie „ein einziger Sonderzeichensatz“.