#Roman

Mordsonate

O. P. Zier

// Rezension von Bernd Schuchter

O. P. Zier wurde 1954 im salzburgischen Pongau geboren und in der Landeshauptstadt Salzburg spielt nun sein soeben erschienener Krimi Mordsonate. Der Titel ist Programm: Das Buch ist wie die im Buch eine gewichtige Rolle spielende c-Moll-Sonate (KV 457) von Wolfgang Amadeus Mozart in drei Sätze geteilt.

Kultur, Politik, Mord und Dreckwäsche

Birgit Aberger und Anja Weger sind zehn Jahre alt, beste Freundinnen seit immer, und spielen beide Klavier; sie werden wegen ihrer Fortschritte sogar schon am Mozarteum unterrichtet. Anja ist gut, nur ist Birgit die um Längen Talentiertere der beiden, was insofern ein Unglück ist, weil Anjas Vater der ehrgeizigere der beiden Väter ist. Birgits Eltern dagegen können sich den Unterricht für die Tochter eigentlich gar nicht leisten. Anjas Vater verdient dafür mehr als ihm von seiner Leistung her eigentlich zustünde, weil &ndsh; und hier beginnen die Überschneidungen mit der aktuellen politischen Realität der Republik Österreich. Hans Weger ist einer von denen, die viel verdienen, „ohne auch nur eine nennenswerte Gegenleistung dafür zu erbringen. Bei denen war es doch wirklich so, wie in der ENAG [dem landeseigenen Energiekonzern] gewitzelt wurde: Je weniger sie tun, desto kleiner der Schaden für das Unternehmen“ (S.146). Denn Hans Weger, der eigentlich Autoverkäufer ist, hat seinen Vorstandsposten nur dank der richtigen Parteimitgliedschaft. Seine Partei wird nicht beim Namen genannt, kann aber anhand der Parteifarbe Orange, anhand eines Parteigründers, der bei einem Autounfall starb, anhand der jungen, dynamischen, solariumgebräunten Mitglieder und anhand der markigen Sprüche („Rechtschaffene Inländer müssen also jetzt schon für jede Minute ihres Lebens Zeugen aufbieten können, was? Weil man ihnen die Taten krimineller Ausländer in die Schuhe schieben will.“ S.225) leicht zugeordnet werden.

Birgit nun hat eine nationale Ausscheidung gewonnen und soll zu einem europaweiten Talentwettbewerb nach Vilnius geschickt werden, bei dem sie laut ihrer Professorin Vera Stelzmann aufgrund ihrer außerordentlichen Begabung gute Chance hätte – beziehungsweise gehabt hätte, wenn sie nicht kurz vorher spurlos verschwunden wäre. Aus der Abgängigkeit eines Kindes – für die Eltern die vom Autor sensibel spürbar gemachte Hölle auf Erden, darüber hinaus aber nicht weiter ungewöhnlich – wird ein Fall für den neuen Chefinspektor Erich Laber, als abgeschnittene Finger des nachweislich toten Kindes auftauchen.

Dieser Erich Laber hat seinen Posten auch nicht nur dank seiner (vorhandenen!) Qualifikation, sondern wegen diverser Parteigeschichten, ist alleinstehend und verschroben, aber ansonsten keiner von den üblichen Krimi-Ermittelnden (das findet auch der Autor: „‚In Krimis, die ich übrigens ganz gern lese, ermitteln inzwischen doch fast nur noch Meisterköche, nicht?‘ – ‚Genau‘, stimmte Erich der Frau zu […]. ‚Mich würde kein Autor erfinden! – So zu sein, wie ich bin, ist nun in der Tat ein Vorzug der Realität.'“ S.171)

Salzburg und eigentlich ganz Österreich werden dargestellt als Freunderlwirtschaft, Parteibuchdemokratie und im Grunde als korrupter und gewissenloser Haufen von unqualifizierten Opportunisten. Das sind zwei der einander überschneidenden Themen des Buches: das Verschwinden des Klavierwunderkinds und die bis in die unmöglichsten Bereiche des Lebens hineinreichende schmutzige Politik. Auch hier wird wie in vielen Fällen gelten: Was man als Leser für übertrieben zu halten geneigt ist, wird von der Realität weit übertroffen.

Was die Kriminalgeschichte angeht, bewegt sich ein einigermaßen geübter Krimileser schnell in vertrauten Bahnen: Die Konstellation des Personals kennt man schon (so etwa den jungen Ehrgeizling im Team, den polternden Vorgesetzten, den schrulligen Ermittler) und auch Handlungsstränge lassen sich einigermaßen voraussagen: Die sich Hals über Kopf entwickelnde Liebesgeschichte des Chefinspektors ist so harmonisch, rosarot und lieblich, dass man weiß: Das wird kein gutes Ende nehmen. Auch was den sich auf dem Silbertablett anbietenden Hauptverdächtigen angeht – der ist so verdächtig, der kann es gar nicht gewesen sein.

Das alles ist aber vom Autor so gewollt, denn O. P. Zier gab in einem Interview mit Heinz Bayer an, es habe ihn „gereizt, ein krimitypisches Personal zu erfinden“ (Salzburger Nachrichten, 24. August 2010). Und auf die Frage, ob es denn nicht eigentlich schon genug Krimis gebe: „Gibt es – für Fußballinteressierte – genug Fußballspiele? Es kommt einfach darauf an, was ein Kriminalroman zu bieten hat.“ Und da hat er recht – Mordsonate hat auf alle Fälle viel zu bieten: Einen Ermittler, dem man in weiteren Krimis gerne wieder begegnen würde, einen völlig unerwarteten Täter und ein spannendes Finale – mehr soll nicht verraten werden.

Mordsonate.
Roman.
St. Pölten, Salzburg: Residenz Verlag, 2010.
406 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-7017-1554-1.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 16.09.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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