#Lyrik

Met ana oanders schwoarzn Tintn

Franzobel

// Rezension von Sabine E. Dengscherz (Selzer)

Für die einen ist es Unsinn, für die anderen ist es Kunst, Franzobel ist Geschmacksache. Die einen sind verärgert, die anderen amüsiert, nicht jeder nimmt die Texte ernst, vielleicht leidet so mancher Autor darunter, daß das Publikum heute nicht mehr so leicht zu provozieren und zu schockieren ist wie zu Zeiten von Handkes Publikumsbeschimpfung.

Franzobel wird dem Image „jung, respektlos, witzig“ auch in seinem neuesten Band einigermaßen gerecht. Met ana oanders schwoarzn Tintn ist eine Sammlung von „Dulli-Dialektgedichten“, ein intertextueller Blödelspaß, der ohne H. C. Artmanns „med ana schwoazzn dintn“ nicht zu denken wäre und – wie die Schreibweise des Titels schon zeigt – an die Sache völlig anders herangeht.

Während bei H. C. Artmann der Dialekt noch eindeutig als Wienerisch erkennbar ist – Experten lokalisieren ihn noch genauer als „Braadenseearisch“ – ist Franzobels Transkription launisch, sein Oberösterreichisch ist von hochdeutschen Sprengseln durchwachsen und scheint manchmal ein wenig ins Kärntnerische zu changieren.
Aber vielleicht täuscht das auch alles, denn der Autor (seit dem Bachmann-Preis 1995 tatsächlich bekennender Wahl-Kärntner) lebt ja mittlerweile im Burgenland. Dieses österreichische Weltbürgertum könnte eventuell seinen schillernden Dialekt erklären.

Thematisch reicht die Palette von österreichischer Identitätsfindung (diffenziert nach Bundesländern), der Einsamkeit eines Kindes aus illustrer Familie, über Wiener Sozialwohnbau, Heurigengesang und blöde Witze bis zu Rittergedichten in Anspielung auf H. C. Artmanns „blauboad 1“ und „blauboad 2“ sowie Trinkgelagen, die man sich von „Attwenger“ vertont als echten Ohrenschmaus vorstellen könnte.

Komplettiert wird die Kuriositätensammlung durch eine Reihe von „Fotografien aus dem Fundus Franzobel“, einer bunten Mischung in Schwarz-weiß aus Feizeitgestaltung, Familienidylle und Wohnkultur der 50er und 60er Jahre, eine ironische Hommage an eine „gute alte Zeit“, denn es scheint ja fast nur gute alte Zeiten zu geben. Wer die glücklichen Menschen auf den Bildern wohl sind, darüber können sich Germanisten späterer Generationen einmal den Kopf zerbrechen, der Text gibt darüber jedenfalls keine Auskunft. Das Bild eines Kleinkindes in der Badewanne läßt die vage Vermutung zu, daß es sich um eine frühe Aktaufnahme des Autors handeln könnte, was aber bisher nicht zweifelsfrei erwiesen ist.

Im allgemeinen ist „Met ana oanders schwoarzn Tintn“ ein nahezu freundliches Buch in jedenfalls liebevoller, bibliophiler Gestaltung, die Bosheit des Autors hält sich diesmal in Grenzen, die Dulli-Dialektgedichte laden ein zum vergnüglichen Lesen, Vorlesen und Wiederlesen – und zum Lachen (obwohl manches Schmunzeln vielleicht ein wenig süß-sauer schmeckt).

Franzobel Met ana oander schoarzn Tintn
Dulli-Dialektgedichte.
Weitra: Bibliothek der Provinz, 1999.
98 S.; geb.
ISBN 3-85252-305-2.

Rezension vom 25.01.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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