#Lyrik

mechanismen und defekte

Peter Enzinger

// Rezension von Peter Landerl

Peter Enzinger debütierte 2002 im Klagenfurter Ritter-Verlag mit dem Gedichtband „gruenes licht oder das zerwuerfnis der wuerfel“, nun hat er in der edition ch seine zweite Lyrikpublikation vorgelegt, die den Titel mechanismen und defekte trägt. Georg Bernsteiner hat Enzingers Gedichten „gezeichnetes gebeichtetes geklautes“ beigegeben, meist Minimal-Zeichnungen, die man (wenn man denn will) für Kritzeleien halten kann, darüber oder darunter hat er markige Sprüche wie „TOO DRUNK TO FUCK“ oder „PLEASE GOD MAKE TOMORROW BETTER“ gesetzt.

 

Das Buch eröffnet Bernsteiner, fünf durchgestrichene Wörter, die nicht mehr zu entziffern sind. Die Geste der Verweigerung gleich an den Anfang gesetzt. Das ist mutig und macht neugierig. Was ist vom Folgenden zu halten?
„entzuendet an einem leuchtfeuer aus sternen / die suenden im sueden der duesternis“ so setzt das erste Gedicht ein. Ein Mayröcker-Epigone, wie es so viele in Österreich gibt? ö, ü, ä werden durch oe, ue, ae ersetzt, klein- statt Großschreibung, die weitestgehende Vermeidung von Satzzeichen: alles fließt, manchmal auch ueber. Man kennt das; was vor vierzig Jahren en vogue war, muss es heute nicht mehr sein. Seitenzahlen fehlen. Originell und kühn ist, dass „das“ durch „dass“ ersetzt wird, die Konjunktion das Relativpronomen einfach gefressen hat. Keine elenden das/dass-Fehler mehr – mein Gott, würde das die Schüler freuen!

„ich schreibe immer mit der gleichen hand – der linken“ heißt es im Gedicht „schwaene“ und „ich bin eine buchstabenwitzfigur“. Diese Buchstabenwitzfigur, dieses lyrische Ich, das sich in den Gedichten sehr oft zu Wort meldet, spielt alle möglichen lyrischen Varianten durch, End-, Stab-, Paar-, unreiner Reim und was sonst es im großen Haus der Lyrik noch alles geben mag. Die Wörter fließen zu Papier, von Vers zu Vers, von einer Sinneinheit zur nächsten. Am Anfang ist das Wort – so stellt der Rezensent sich Enzingers Arbeitsweise vor – dann wird assoziiert und gereimt, und fertig ist das Endprodukt, oder vielleicht doch nicht? Wo wollen Enzingers Gedichte hin? Reicht das Sprachspiel um des Sprachspiels willen? Ein Reim hetzt zum nächsten, ein Wortspiel jagt das andere, der Sinn bleibt auf der Strecke. Gewollt oder ungewollt?

„keine botschaft sei diese botschaft als schrift“ lautet die erste Verszeile des Gedichts „moder mode“ und das mag für viele Gedichte Enzingers gelten. Vieles in dem Buch wirkt verspielt, schnell geschrieben, zu wenig ausgefeilt, nur auf die äußere Form, den Reim, die nächste Verszeile hin gestaltet, der Leser ermüdet schnell. Manches wirkt banal, etwa wenn lustig gereimt wird: „im klingonischen klingohr / im klingonischen sing-ohr / im klingonischen klang-ohr / klingt das klingonische klingonisch“ Oder klingt das nur in meinen nicht-klingonischen Ohren komisch?

Vielleicht hilft die Theorie weiter? „und dann roman jakobson lesen und dann / ein gedicht machen dass sein gesicht verliere / sich buchstaeblich in den wortirrgarten verirre“ Enzinger hat Gedichte über das Dichten geschrieben, den schwierigen Umgang mit der Sprache, der er einen spielerischen Ansatz entgegensetzt, der manchmal von resignativen Untertönen begleitet ist. Nur selten klingt in Enzingers Reich des Buchstabensalats das Politische durch, wenn, dann nahe am Kalauer: „so verlasse ich mein stummes land – denn / es verspottet jede beschreibung“

Was ist dem Leser der Rezension mit auf den Weg zu geben? Enzingers Gedichte sind nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut, sie sind verspielt, toben wie junge Hunde fröhlich im Wörtergarten. Lesenswert sind die Gedichte, aber bleiben sie haften? Vielleicht wollen sie zu wenig, begnügen sich zu schnell mit dem Erreichten? Möglicherweise wird es dem Leser gehen wie dem Rezensenten und dem lyrischen Ich im Gedicht „shining“: „diese gedichte machen mich ganz irre / diese buchstaben machen mich ganz kirre / wenn ich durch die wortirrgaerten irre“

Peter Enzinger mechanismen und defekte
Gedichte.
Wien: Edition ch, 2004.
95 S.; brosch.; mit zahlr. Ill.
ISBN 3-901015-25-6.

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Informiert
bleiben

Sie können 3 Newsletter abonnieren:

  • Literaturhaus Wien News
  • Literaturhaus Wien Veranstaltungsprogramm
  • Österreichische Exilbibliothek News

Bitte schicken Sie uns eine entsprechende Nachricht mit dem Betreff „Newsletter bestellen“. Für Abbestellungen bitte im Betreff „Newsletter abbestellen“ schreiben.