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Martiniloben

Marlen Schachinger

// Rezension von Maria Steiner

Martiniloben ist ein burgenländischer Brauch, bei dem die Dörfer der Weinbaugemeinden um den Neusiedler See rund um den 11. November festlich geschmückt und die Türen der Weinkeller geöffnet werden. Zu Ehren des Heiligen Martin verkosten und loben die Dorfbewohner an diesem Landesfeiertag den neuen Wein. Tatsächlich wurde der Brauch vor etwa 25 Jahren wiederbelebt, um den herbstlichen Tourismus anzukurbeln.

Marlen Schachinger lässt ihren brandaktuellen Gegenwartsroman rund um Martiniloben in einem nicht näher genannten burgenländischen Dorf spielen. „Es steht als Synonym für einen Landstrich, für all die Dörfer an der Grenze, nahe dem ehemaligen Niemandsland, und es meint keines im Speziellen“, schreibt sie in Nachwort, und weiter: „Manch Erdachtes, während des Schreibens noch rein fiktiv, wurde in jenen Monaten bereits von der Realität eingeholt. Andere hier geschilderte Ereignisse sind bislang Fiktion. Hoffentlich bleibt es dabei.“ Schachinger nimmt in ihrem Roman tatsächlich aktuelle Ereignisse, Stimmungen und Schlagzeilen der aktuellen Flüchtlingskrise in Österreich vorweg.

Die Protagonistin ihres Romans, Mona, ist Uni-Lektorin für Philosophie an der Universität Wien – eine Intellektuelle mittleren Alters unserer heutigen Zeit, könnte man auch sagen: Angesichts institutsinterner Intrigen bangt sie um ihren Lehrvertrag. Sie versucht, ihre Essays in diversen Fachzeitschriften unterzubringen. Um ihre Finanzen steht es grundsätzlich nicht besonders gut, und vor kurzem hat sie sich in der ländlichen Idylle auch noch ein Haus gekauft. Ihr Lebensgefährte Emil, ein Journalist, ist angesichts der Einsparungsmaßnahmen seiner Zeitung gerade arbeitslos geworden, was ihre Beziehung zusätzlich belastet. Das Paar engagiert sich für die im Dorf einquartierten syrischen Flüchtlinge. Als „Zugereiste“ gehören Mona und Emil ohnehin nicht richtig zur Dorfgemeinschaft. Wen wundert es da noch, dass Mona plötzlich anonyme Drohbriefe bekommt, weil sie sich für „die-da“, gemeint sind die Flüchtlinge, einsetzt und ihnen Deutschunterricht erteilt.

Dann geht es Schlag auf Schlag: Der Zweitschlüssel des Hauses verschwindet, ein fremder Zigarettenstummel liegt im Aschenbecher, die Heckscheibe von Monas Auto wird verschmiert, schließlich ihr Computer gehackt. Mona ist sich anfangs nicht sicher, ob sie sich nur verfolgt fühlt oder ob sie tatsächlich verfolgt wird. Ihre Katze verschwindet und die Frau eines Kollegen, mit dem Mona einst ein Verhältnis hatte, wird Opfer eines mysteriösen Verkehrsunfalls. Mona selbst muss ins Krankenhaus, eine leichte Vergiftung wird diagnostiziert, der Befund verschwindet. Bevor sich die Ereignisse zu Martiniloben dramatisch zuspitzen, erfährt der Roman eine unerwartete Wendung.

Nichts für zartbesaitete Seelen!

Martiniloben.
Roman.
Wien: Septime Verlag, 2016.
504 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-902711-58-8.

Homepage der Autorin

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 08.11.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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