Den größten Platz in diesem Roman nimmt Bertie ein: Er ist derjenige, der im Prolog am Sylvesterabend 1938/39 allein in einer italienischen Villa sitzt und mit Tränen in den Augen der Stimme eines Sängers lauscht: „Vincerò“ – „ich werde siegen“ – singt diese. Was damit gemeint ist, erfahren wir erst, nachdem wir Bertie, den hoffnungsvollen Spross einer jüdischen Bankiersfamilie, eine Weile auf seiner Suche nach dem eigenen Weg begleitet haben. Er verweigert die für ihn vorgesehene Karriere, sucht nach einem ganz anderen Lebensentwurf und findet beim arrivierten Kunstkritiker Paul, dessen Charme er verfällt, ein Vorbild. In einem nächsten Lebensabschnitt begegnen wir Bertie in Rio wieder, wo er sich dem Bankgeschäft des Vaters widmet und herausfindet, dass er so untalentiert in Sachen Geld gar nicht ist. Mit dem erworbenen Reichtum kehrt er nach Paris zurück, zieht mit Freunden nach Venedig und erwirbt bald eine Palladio-Villa, die der Inhalt seines Lebens werden soll. In Malcontenta will er endlich seine eigenen Ideen verwirklichen, abrücken von der dekadenten Gesellschaft, die sich in müßigen Parties zerstreut, anstatt sich ernsthaft mit Kunst auseinanderzusetzen. Die Entdeckung seltsamer Fresken an den Wänden seiner Villa geben Rätsel auf und stehen wie ein Omen über seinem Leben.
Über diese Fresken kommt man Battista Franco endlich näher, einem Maler des italienischen Cinquecento, der sich mehr schlecht als recht durchschlägt, wie viele seiner Kollegen vom überragenden Vorbild Michelangelo Buonarotti erdrückt wird, aber nicht die Frechheit und den Mut seiner Konkurrenten besitzt. Als er endlich vom erfolgsverwöhnten Andrea Palladio den Auftrag erhält, eine seiner zahlreichen Villen mit Fresken auszustatten, ist Battista in seinem Element, gerät aber durch ein Liebesverhältnis in Gefahr. Immer enger führt Felix Kucher diese beiden Erzählstränge zusammen, bis sich auf den letzten Seiten die Lösung des Ganzen offenbart. Ergänzend knüpft er mit der Figur des jungen Flüchtlings und Graffiti-Künstlers Said an die Gegenwart an, wenn Said am Ende seiner Flucht auf genau dieses Fresko in Malcontenta trifft.
Felix Kucher, 1965 in Klagenfurt geboren, Qualitätsmanager, Lehrer und Weinbauer, hat ein wohl konstruiertes Debut vorgelegt, das bis zur letzten Seite spannend bleibt. Mag sein, dass über die anspruchsvolle Struktur das Detail ein wenig gelitten hat. Die Charaktere erscheinen nicht immer schlüssig und so mancher Dialog endet im Leeren. Das ist schade, denn Kucher hat die Geschichte rund um Albert Clinton Landsberg genau recherchiert und zitiert viele wahre Begebenheiten und historische Persönlichkeiten. Landsberg hat tatsächlich die mit Fresken von Battista Franco ausgestattete berühmte Villa Foscari „La Malcontenta“ vor dem Verfall gerettet und floh 1939 vor den Nationalsozialisten. Gelungen ist dem Autor die glaubwürdige innere Verbindung der drei durch die politischen Umstände bezwungenen Männer: Battista ist den Launen der Renaissance-Fürsten ausgesetzt, Bertie den Nazis und Said den aktuellen Regierungen. Gemeinsam ist den Dreien daher nicht nur der Kunstsinn, sondern auch die unsichere Zukunft, die statt einem Happy End am Ziel ihrer jeweiligen Reise steht.