Schuld daran kann nicht das Thema sein und nicht der unbestritten witzige Schreibstil der Autorin, sondern es war der zeitliche Abstand und eine Tempoverschiebung. Der österreichische Nationalratswahlkampf von 2017 ist plötzlich weit weit weg. Seitdem war türkis-blau, Ibiza, so-sind-wir-nicht, Kurz-Misstrauensvotum, Wahlkampf 2019, türkis-grün, Coronaverordnungswutpolitik. In diesem Roman gibt es noch Christian Kern und Reinhold Mitterlehner.
Wir Leser sind kurzatmig geworden. Ähnliche Unrastgefühle löste Franzobels Rechtswalzer aus. Auch in diesem Politsatirethriller mit Anklängen an Josef Haslingers Klassiker Opernball wird das Romangeschehen von der Wirklichkeit rasch rechts überholt. Anspielungen werden schon nicht mehr verstanden. Das „Buberl“, mit dessen Biene der Protagonist von Tiwalds Roman ein Pantscherl hat, also der damalige Noch-Nicht- und jetzt Schon-Wieder-Bundeskanzler, ist zwar der Gleiche geblieben, er erscheint uns aber heute schon in einer ganz anderen Beleuchtung.
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Die Idee, dass das Alter Ego der Autorin, die Tiwald, aus der Trumpgattin Melania eine Lady Macbeth für eine Laienbühne im roten Grätzel macht und von einem bundesdeutschen SPÖ-PR-Berater inszenieren lässt, mit Tony Wegas und mit dem abgehalfterten Django Mitterlehner als Macbeth-Donald-Trump, das hat etwas. Wie die Idee ganz tief ins Bezirksgruppenmilieu hinuntergezogen wird, das finden aber wohl nur die Insider wirklich lustig. Was hätte man daraus nicht alles machen können! Eine Charakterstudie der Macht! Voller Akribie auf den Spuren des Schreibens über das Schreiben schildern, wie sich ein tieftragischer Shakespeare Schritt für Schritt in eine urkomische, nestroyhafte Revolution gegen den US-Diktator in Krähwinkel verwandelt. Im alles auflösenden letzten Kapitel (siehe Leseprobe) wird die Kontur dessen sichtbar, was hätte werden können.
Die Autorin beherrscht den Außenbezirksscetch. Genau das, was ich ihr vorwerfe, sei ihre Absicht gewesen, einfach die Leute zum Schmunzeln zu bringen, höre ich sie sagen, und das bringt mich schon zum Verstummen und nicht wenig in Verlegenheit, denn in Zeiten wie diesen, in denen es der Literatur eh so schlecht geht, muss ich da herumnörgeln und die langsam wieder aufkommende Freude am Schanigarten stören? In meiner Not auch Robert Musil zu Rate gezogen, der mich sehr beeinflusst, weil ich gerade seine Kritiken herausgebe, Bd. 10 der Gesamtausgabe bei Jung und Jung, da habe ich eine Stelle gefunden, die ich meiner Besprechung als Begründung anhängen könnte, weil es in ihr genau um die zwei Arten von Humor geht, von denen ich bei Katharina Tiwald nur die erste voll ausgebildet finde und die zweite ein klein wenig vermisse:
„Man kann diesen Unterschied zweier Humore auch so definieren, daß an Stelle eines Genremalenden, eines Einzeltypus, einer Erscheinung karikierenden Humors heute, wenn auch vielleicht rasch vorübergehend, ein sozial-utopischer zu treten anhebt, eine halb ironische Utopie, welche das Dasein aus Zweifel an seiner Güte phantastisch variiert. Der alte Humor machte sich eigentlich immer über etwas Einzelnes lustig, aber im Ganzen blieb das stets eine ernste und ehrbare Angelegenheit; selbst bei einer der ganzen Gesellschaft geltenden Satire, wie es etwa »Vanity fair« ist, war stillschweigende Voraussetzung, daß den geschilderten Verdrehtheiten irgendwo eine bloß vorübergehend verlassene Normallage entspricht. Der in unserer Zeit aufkommende Humor nimmt hingegen gerade das Ganze nicht ernst; richtete sich der erste gegen irgendetwas, so der zweite gegen alles, der erste gegen einen bestimmten Gegenstand, so der zweite gegen den gesamten Raum, den Zeitraum, in dem wir leben.“