Luxus

Hansjörg Zauner

// Rezension von Markus Köhle

Am Anfang war das Wort. Das Wort lässt sich beispielsweise als satzfähiges Lautsymbol bestimmen. Mit der Eignung ein Stück Wirklichkeit zu meinen. Ein Wort ist satzwertig, satzaufbauend. Das Wort hat die Eigenschaft signalisierend auf etwas hinzuweisen oder sich auf etwas zu beziehen, es zu repräsentieren. Der Wortschatz ist ein Potenzial zur sprachlichen Fassung der Erlebnisdaten des Sprechers. Am anderen Anfang ist Hansjörg Zauner.

Ausflug in Hansjörg Zauners
Sprachwollräume

In Luxus nimmt uns der mal „schräg angeschossene“, mal „millimetergenau herausgelöste“, mal „sonnig abgeschossne“ „ichaghaufen“ mit unter die Stadtbahnbögen, führt uns ein in seine Welt und in sein Sprachreich. Es wird ausgegangen mit Freunden, da haben wir zum Beispiel den „schrill aufpolierten leuchtkäferbär“ und sich über momentan Bewegendes unterhalten. Das freilich wird gut sprachverdeckt. Schaufelt man sorgfältig, so lässt sich sogar der Verlagswechselgrund des „ichagdaherwackelhaufens“ raus lösen/lesen. Der Verlag wird als „Sprachbelieferungsfirma“ bezeichnet, ein durchaus als Synonym durchgehendes Wort und insofern fast eine Ausnahme in Luxus, denn die meisten Wörter sind einzigartig. „maulknisterblumen mein ziel ist mund im kuss verdrängter wörter.“ (S. 12f.) Das wird „abklaviert“, „zurücktätowiert“ und „hinpaniert“. „sprachknisterspatzen“ pfeifen’s von den Bedeutungsdächern. „wortknödelwespen“ stechen althergebrachte Substantive aus. Um es den Autor selbst sagen zu lassen: „die vergenauten ansprüche sind eigentlich zu schön um noch bezeichnet zu werden“ (S. 8)

In „alles ruhig der kopf“ wird alles zurückverdreht. Das heißt beispielsweise: „rotziges ausknetgebirge stürzte ins flugzeug ab.“ (S. 18) oder „diebt den halt sagte unsere nette verwirrung.“ (S. 22) und im Übrigen: „im fahrrad ist gehsteigen wirklich verboten.“ Alles einverklart? Nein, macht nichts. „gelegenheit gibt verstehenstüchergutscheine aus. dinge sind über sich selbst verwirrt bekleckert.“ (S. 34)

Zauner füllt seine gelebte Welt mit neuen Wörtern. Sein sinnlich-geistiger Erfahrungshorizont wird mit Wortbildungen eigenwilliger Art zur Sprache gebracht. Z. B.: „bananenknutschdattel“, „ohrwelkpumpen“, „denkpfeiflöcher“, „lärmrisslöter“. Die Auseinandersetzung mit der veränderlichen Wirklichkeit schreit nach Neuwörtern. Zauner erhört diese Notwendigkeit und erhebt sie zum stilprägenden Element. Zauner pflanzt munter Wörter in die Welt und wer weiß, wie lange es noch dauert, vielleicht eben gar nicht so lange, bis das Gemeinte z. B. „splitterkritzelgockerl“ Wirklichkeit wird. Das „kirtagsflinserllappenfest“ jedenfalls kann ich mir sehr gut vorstellen. Wortbildung dient ja auch der Informationsverdichtung und dichter als „kirtagsflinserllappenfest“ geht’s nicht.

Der Wortschatz hat ein starkes Bedürfnis nach motivierten Wörtern. „also füllen wir alles dahersplittergerümpel in denkrisse ein.“ (S. 38) Zauner geht es nicht um die Durchsichtigkeit seiner Prägungen, sondern um die Klangqualität und Originalität derselben. Er wirkt der Mehrsinnigkeit entgegen, ist ein Polysemieentwerter. Auch die Homonymie hat es bei Zauner schwer. Lautgleiche Wörter folgender Prägung „sinnierschweißklumpenwimpern“, „halbegroschenkilowortfleischendlospreis“, „haipferdplastlinendlosbaggervögel“ sind zwar denkbar aber eher nur in Zauners Wortschatzkiste auffindbar.

Zauner tauscht Subjekte originell aus und absurdisiert die Objekte ganz selbstverständlich. Die Syntax bleibt dabei verhältnismäßig konventionell. „im hof torte das nächste spiel. licht nagelte neon. mein lasso diese honignase flatterte frei.“ (S. 68) Die Verben bleiben eher unangetastet (aber es wird schon mal „eingespreiztheizt“, „pyjamat“ und fleißig „zurücktätowiert“). Das lässt den Leser trotz der Gesamtverdrehtheit des Textes den, beziehungsweise einen Faden finden. Und wie im Leben geht’s ums Auffüllen der Lücken, der Sprachlücken. „unsere sinnierentminungsmaschine wird eingeschaltet.“ (S. 48)

Zauner erzählt aus seinem Leben und Kopf, das klingt nicht weiter ergreifend. Aber wie diese Texte aufgeladen sind mit Wortvolt, das ist wirklich elektrisierend. Da wird die Qualität der deutschen Sprache voll und ganz genutzt, die Wortzusammensetzungsqualität, die Monsterunwortmöglichkeitsbildung. Durch die Substantivneologismen wird ein neues Dinguniversum geschaffen, eine andere Sprach- und Dingwelt. Eine Welt, die besser klingt als die reale. Und hin und wieder gibt es Überschneidungen der Bedeutungen bzw. komische Ähnlichkeiten. Das System dahinter ist vor allem der Sprachklang und die Absurdität der Konstrukte. Denn die Wörter sind eben schon bedeutungsgeladen und nicht rein onomatopoetisch und die so aufeinander prallenden, im Wort sich teilweise widersprechenden Wortteile schaffen ein neues Realitätspuzzle. „nur so entsteht bauchfingerflocke.“

Ja, Zauner macht Bilder, weil er Wörter aufeinander los lässt, die im Kopf eine Bildmaschine anwerfen, die schönste Blüten treibt. Und zwischendurch wird Selbst- bzw. Textreflexives eingestreut. Quasi: Wo ist jetzt die Figur? „wann wird jetzt endlich eine person in diesen text da eingeführt und stochert im geschehen umher denkt sich jemand der hier liest.“ (S. 87) Und plötzlich wird einem klar, wie unwichtig doch diese Hauptwörter, diese Nomen, also die Namenwörter sind. Sie sind eben nur Namen und wenn sie durch bessere Namen ersetzt werden, dann wird die Sprache interessanter.

Zauner schert sich nicht um morphologisch bedingte Mängel im Flexionssystem wie beispielsweise fehlende Steigerungsformen, das heißt er schert sich schon darum, indem er sie einfach zulässt. Gegen „zeitgleicher“ ist nichts einzuwenden, gegen Paradoxiehuldigung auch nicht. „wir stehen schneller“ Zauners Worte sind mehrfachbelichtet, die drei-bis-viergliedrigen „krachpatzenporen“, „rechtsnudelkurve“, „denkrisssegler“, „aufpumpzwitterdüfte“ rattern am besten, fünf- und mehrgliedrige Konstrukte wirken etwas zu konstruiert aber das ist beispielsweise Untersuchungsausschussgremiumsbeschluss auch. Hin und wieder genehmigt sich Zauner auch recht billige „offenrotzige“ Klanganlehnungen, in der Regel aber macht er es sich und dem Leser nicht zu leicht und gibt sich hermetisch. Alles ein „wortföhnaufspreizübungsendlostest“?

Nein, ein angenehmer Sprachrausch. Man kann sich zwar Tags drauf nicht mehr ganz genau erinnern, was man alles aufgenommen hat, das will man ja bei Räuschen auch nicht unbedingt, aber der Gesamteindruck ist eindeutig positiv, sehr positiv. Und gut ist, dass sich der Zauner-Brand leicht löschen lässt, man braucht nur zu Luxus zu greifen, um sich den Pelz von der Zunge zu lösen. „meine wortrubbelturbozunge wird als schnitzel nochmals herausgebacken sein.“ (S. 15) Ein starkes Stück Textfleisch, ja natürlich.

Noch was. Zauner hat auch eine Mission. „alle jemals weltweit gedachten worte müssen in ein einziges titelanlagezeug langsam hingepumptlackerlt werden.“ (S. 116) Bleibt zu hoffen, dass einige Zaunerwörter ehebaldigst lexikonfähig werden oder einfach in irgend einem „worttorkelsarg“ landen.

Luxus.
Wien: Czernin Verlag, 2008.
143 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-7076-0269-2.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 17.06.2008

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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