#Roman

Luba und andere Kleinigkeiten

Selma Mahlknecht

// Rezension von Julius Handl

Sie ist der Mittelpunkt ihres Universums, Luba, eine Radiomoderatorin Anfang dreißig. Sie ist kreativ, sarkastisch und träumt gerne groß, aber verfolgt diese Träume nur ungern. Außerdem ist sie schwanger und unsicher, ob ein Kind überhaupt Platz hat in ihrem Leben. Selma Mahlknechts vierter Roman entführt in die bunte Welt einer Frau, die sich nicht bloß für das Leben ihres ungeborenen Kindes entscheidet, sondern auch für ihr eigenes.

Mit ihrem Freund Horst lebt Luba ein sehr unaufgeregtes Leben, das sich zwischen Filmabenden auf der Couch, ihrem Büro beim kleinen Sender „Radio Today“ und Horsts Liebe zu Vögeln tummelt. Der Hobby-Ornithologe ist Lubas Rettungsanker gewesen, nachdem sie an der Beziehung zu ihrem Ex-Freund beinahe kaputt gegangen wäre.
Seitdem fragt sie sich, ob sie nicht auch spannendere Männer haben könnte, oder einen spannenderen Job, oder ob sie der großen Bühnenkarriere nicht vielleicht doch noch eine Chance geben sollte. Auf der Suche nach Antworten beginnt sie viel nachzudenken, zu viel, und wird immer tiefer in einen Strudel aus Größenwahn und Versagensängsten gesogen.

Das „Pünktchen in ihrem Bauch„, das sie liebevoll auf den Namen Bernadette tauft und die Frage, ob sie ihm das Leben schenken will, ordnen sich auch diesen Ängsten unter. Spielerisch und dennoch präzise beschreibt Selma Mahlknecht knapp zwei Wochen aus dem Leben von Luba, vom positiven Schwangerschaftstest bis zu dem Moment, in dem Horst vom gemeinsamen Kind erfährt. Er leidet schwer unter der Sinnkrise seiner Freundin, die nicht nur ihn, sondern auch ihre Freunde und die gesamte Familie von ihrem Innenleben ausschließt, aus Angst jemand könnte ein Wörtchen mitreden wollen.

Im Laufe des Romans treten allerlei Personen auf, die Luba ohne es zu wissen bei der schweren Entscheidung helfen und nebenbei Klischees bestätigen oder entkräften sollen. Ob es Lubas alte Klassenkameradin ist, die als Teenager schwanger wurde und als alleinerziehende Mutter trotzdem Karriere macht, oder die extravagante Arbeitskollegin, die mit ihrer gestelzten Sprache dazu verdammt ist auf ewig in Konkurrenz zu Luba zu stehen. Sie wirken keinesfalls plump, denn sie verdeutlichen auf leicht ironische Art und Weise das Bild eines unspektakulären Lebens, das durch eine unerwartete Schwangerschaft plötzlich aus den Angeln gehoben wird.

Diese Ironie zeigt sich auch in der Sprache Selma Mahlknechts, was angenehm und spannend, aber auch notwendig ist. Ohne sie wären Lubas häufige innere Monologe über die eigenen Probleme und die der ganzen Welt etwas müßig und frustrierend. Um ihren Problemen zu entgehen träumt Luba nämlich von alternativen Karrierewegen, die sie einschlagen könnte, wenn sie wollte (noch hat sie ja Zeit!), oder strapaziert die Beziehungen zu Freunden und Familie. Konflikte mit anderen werden gewonnen oder verloren, wer einlenkt „knickt ein“. Die Angst vor dem Verlieren, das Sich-Eingestehen von persönlichen Schwächen und die Flucht vor diesen ziehen sich parallel zur Schwangerschaft durch den ganzen Roman. Es braucht einige schicksalshafte Begegnungen, bis Luba den Mut aufbringt sich selbst zu akzeptieren und sich mit der neuen Mutterrolle zu identifizieren.

Ob nun vom Schicksal geschlagen oder nicht („Das Leben ist auch schwierig, wenn man kein Kind hat.„), die Reise in Lubas skurrile Gedankenwelt reißt mit und macht Spaß. Es gelingt Selma Mahlknecht ein starkes und detailliertes Bild von einer sehr unsicheren Frau zu vermitteln, die durch zahlreiche interessante Begegnungen mit unterschiedlichen Figuren lernt über sich hinauszuwachsen.

Selma Mahlknecht Luba und andere Kleinigkeiten
Roman.
Bozen: Edition Raetia, 2016.
384 S.; geb.
ISBN 978-88-7283-571-5.

Rezension vom 14.12.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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