#Roman

Liebe & Tod

Peter Rosei

// Rezension von Matthias Köpf

Liebe und Tod – zwei ewige Themen der Literatur hat sich Peter Rosei in seinem neuesten Band vorgenommen, und auch bei ihm ist nicht klar, ob es sich nicht vielleicht doch nur um ein einziges handelt. Dazu kommen Familie, Herkunft, Einsamkeit und Reiseimpressionen, alles auf gut 200 Seiten „Roman“: Es droht das Übliche, doch Rosei ist ihm entkommen, nicht zuletzt deswegen, weil er keinen – wie vom Verlag behauptet – Roman geschrieben hat.

In sieben relativ offenen Erzählungen, die bis auf die zwei herausragenden „Landschaften“ wenig miteinander verbindet, variiert Rosei das Überleben, Davonkommen, Sich-Durchschlagen und immer wieder die kurzen, verzweifelten Erlösungen im Liebesakt. Die Schauplätze reichen vom Wien der Nachkriegszeit bis zu den südamerikanischen Elendssiedlungen der Gegenwart, und hier wie dort fordert das Überleben seine Todesopfer.

Vier dieser Geschichten sind vergleichsweise konventionell erzählt: Ein Wiener Geschwisterpaar, ein windiger Geschäftemacher, ein Slumbewohner und eine amerikanische Live-Pornogruppe versuchen mit unterschiedlichem, aber nie dauerhaftem Erfolg, sich mit dem Leben zu arrangieren. Ohne sich lang mit Hintergründen aufzuhalten, reiht Rosei Szene an Szene und gewinnt dabei eine (fast ziellose) Stringenz, die der 1997 schon einmal veröffentlichten Eingangserzählung „Gnadenlos“ fehlt: Der Autor scheint dem Sog seines Textes nicht zu trauen und zerstört ihn stattdessen durch Kommentare, rhetorische Fragen und erzählerische Absichtserklärungen in einer pädagogischen „wir“-Form, die – mit Verlaub – doch einigermaßen auf die Nerven geht.

Ganz anders dagegen in den beiden formal weit gewagteren „Landschaften“: Hier besinnt sich Rosei konsequent auf die Subjektivität seines Schreibens. Assoziativ komponiert er kurze und scheinbar unzusammenhängende Passagen zu einem sehr persönlichen Panoptikum, das sich poetologisch genau reflektiert der für die Literatur äußerstmöglichen Grenze der darstellerischen Gleichzeitigkeit in der bildenden Kunst annähert. Hier kommt die Bildhaftigkeit von Roseis Sprache, ihre malerische Kraft voll zur Geltung. Auch diese Text-Landschaften haben ihre thematischen Erhebungen, verlangen vom Leser aber eine eher betrachtende als nachvollziehende Haltung: Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einem ungewöhnlichen sprachlichen Panorama von Generationen und Obsessionen, Verzweiflungen und Hoffnungen, Räumen und Zeiten belohnt. Von der zurückbleibenden Verwirrung angesichts der ungeordneten und auch fast nicht zu ordnenden Impressionen, die dieses Ich vielleicht ertragen, aber kaum überleben wird, kann er sich in den klug verteilten anderen Geschichten erholen.

Peter Rosei Liebe & Tod
Roman.
Wien, München: Deuticke, 2000.
222 S.; brosch.
ISBN 3-216-30510-4.

Rezension vom 27.07.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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