#Prosa

Leichten Herzens

Barbara Aschenwald

// Rezension von Julia Zarbach

Eine verrückt gewordene Welt, in der das Geld als neue Gottheit eine erbärmliche und grausame Menschheit regiert, das ist der Grundtenor von Barbara Aschenwalds erzählerischem Debüt Leichten Herzens, dessen Titel mehr als ironisch vom düsteren Cover prangt. Aschenwald, 1982 in Tirol geboren, präsentiert fragmentarische Geschichten, die ganz ohne Handlung auskommen und in denen allein schnell dahin fließende Gedankenströme die Erzählgewalt an sich reißen.

Dieses Debüt strotzt vor Weltkritik: Vor allem der Kapitalismus wird als Mark allen Übels kritisiert, als Spiel, dem sich die Menschen perfekt angepasst haben. Wie es der Gesellschaft unmöglicht gemacht wird, ohne dieses System auszukommen, wird in der Erzählung „Lichter“ beschrieben: „Den Menschen die Luft zum Atmen nehmen und sie ihnen dann verkaufen, weil immerhin müssen sie atmen. Den Menschen einen Mangel schaffen und ein Bewusstsein dafür und sie dann von diesem Mangel erlösen.“ Die menschlichen Bedürfnisse stehen unter dem Diktat von Werbung und Marktwirtschaft.

Doch eigentlich benötigt es gar nicht viel, um glücklich zu sein, denn „alle brauchen das gleiche“. Der Mensch hat kein Bewusstsein für die Leichtigkeit des Seins jenseits von materiellen Bedürfnissen. In der Geschichte „Auch sie“ werden die Prinzipien einer abgestumpften Gesellschaft präsentiert: „Wenn nichts wehtut, freuen wir uns nicht. Wenn es aufhört wehzutun, freuen wir uns. Deshalb tun wir uns weh.“ Immer wieder schildert die Autorin in szenischen Versatzstücken eine Vielzahl episodenhafter Schicksale: Eine Mutter, die ihr Kind zum ersten Mal ohrfeigt, ein Kellner, der gutes Essen in den Abfall wirft, zwei Männer, die Tiere zu ihrem Privatvergnügen töten… Rund um Gewalt und Fehlkommunikation, um Ignoranz und Leid kreisen ihre spürbar immer schneller werdenden Gedanken, was sie zu der Frage führt: „Können wir es uns leisten, das Böse nicht zu brauchen?“

Dennoch blitzt immer wieder Hoffnung durch diese Welt voller Mogelpackungen und Gefallsucht. Aschenwalds Literatur erscheint nicht so sehr als Anklage, sondern als Versuch wachzurütteln. Vor allem die Liebe ist ein Ort der Zuflucht, ein „Zauberkreis“: „Alles auf dieser Welt ist leichter, wenn es da einen Menschen gibt, der einen liebt und hält.“ Und auch die Natur wird immer wieder als Ort, der Ruhe und Kraft spendet, beschrieben („in den Bergen liegt die Ruhe“) – sie bildet den unschuldigen Gegenpol zu einer von Schlechtigkeit durchzogenen Gesellschaft.

Nur nahe liegend ist es, dass hinter dieser Weltsicht eine metaphysische Philosophie der Autorin steht. Das Magische umgibt zwar den Menschen, dieser hat jedoch jeglichen Zugang dazu verloren. Die Autorin selbst hingegen zelebriert ihren distinguierten Blick auf die Welt, und beschwört geradezu einen mystischen Kosmos. In „Sie sagen, wir liegen“ führt Aschenwald am Friedhof einen freudigen Tanz mit den Toten auf: „Ich kenne keine Stunde ohne das Unsichtbare.“ Die Toten erscheinen als die besseren Menschen, denn „Angst haben nur die Lebenden“.

Barbara Aschenwald hat in ihrem außergewöhnlichen Debüt ohne Zweifel zu ihrem ganz eigenen kraftvollen Ton und ihrer Sprache gefunden. In den thematisch oft ähnlichen Geschichten ist es das fast surrealistisch wirkende Stück „Die Frau, das Meer, das Kreuz“, das sich maßgeblich von den anderen 12 Erzählungen unterscheidet. Hier wird kunstvoll mit symbolisch aufgeladen Bildern gearbeitet und lyrisch halluzinierend das Wesen des Menschen ergründet.

Leichten Herzens ist ein höchst moralischer literarischer Auftakt, der durch eine düster-melancholische Welt führt, beschaffen, um uns vom Tod abzulenken.

Barbara Aschenwald Leichten Herzens
Erzählungen.
Innsbruck, Bozen, Wien: Skarabäus, 2010.
127 S.; geb.
ISBN 9783708232829.

Rezension vom 30.04.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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