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Lebensabende und Blutbäder

Manfred Rebhandl

// Rezension von Anne M. Zauner

Im Ausseerland herrscht längst nicht die Idylle, wie sie die Ansichtskarten von malerischen Bergkulissen suggerieren. Der Krimiautor Manfred Rebhandl weiß es besser. Nur im Sommer gehen sich ein paar bilderbuchschöne Tage aus. Ansonsten schwimmt das Land jahrein, jahraus in einer feuchtkalten Windundwettersuppe, sodass es in der Gegend von Blasenkranken nur so wimmelt. „Unten herum vertan“ nennt es der altgediente Gendarm Biermösel, wenn’s ihm wieder einmal in die Unterhose tröpfelt und die vom Schicksal schwer geprüfte Anni stimmt dann ihren Putzfrauengesang über Inkontinenz an, wenn sie die besudelten Klos ihrer Kundschaften sauber machen muss.

Spätestens jetzt ist klar, dass Manfred Rebhandl keine empfindsame Seele ist. Sein Krimidebüt strotzt nur so von Kraftausdrücken. Man ist auch sonst nicht zimperlich. So teilt die Hauptfigur des Buchs, besagter Biermösel, gerne „Gnackwatschen“ aus und Marillenschnaps säuft er wie Muttermilch.

Der Ausseer Gendarm, der sich von Kollegen wie Brenner und Polt vor allem dadurch abhebt, dass er der unbegabteste aller Ermittler ist, ist zweifellos ein Rebhandlscher Glücksgriff.

Er ist ein echtes Original – stoisch bis zur Dumpfheit, zum aus der Haut fahren träge und von einer geistigen Unbeweglichkeit, die einen an den Rand der Verzweiflung bringt. Andererseits kann nichts dieses provinzielle Prachtexemplar von Mann ins Wanken bringen. Er ist ein Fels in der Brandung von Gesetzesbrechern, denn alle haben Dreck am Stecken, soviel weiß der Biermösel. Von Zeit zu Zeit fixiert er seine Schäfchen dann mit einem Blick, der ihnen die Haut versengt und das Blut in ihren Adern gefrieren lässt. Dann kommen sie angekrochen, um alles Mögliche zu gestehen und ihre Schuld in Form von Marillenschnaps abzuzahlen.

Dem Biermösel selbst aber rauscht das Blut nur dann in den Adern, wenn er auf seinem Moped Marke Triumph Fips durch die Landschaft brettert. Ansonsten hat er sich mit dem eintönigen, ewig gleichen, unfreiwillig keuschen Dasein, das ihm sein Schöpfer auf den Leib geschrieben hat, abgefunden. Nur in stillen Sunden träumt er noch davon, Bierfahrer zu werden, denn Gendarm ist er nur aus Familientradition geworden, das hat der rabiate Vater so bestimmt.

So gingen die Tage ins Land, die Jahre, das Leben. Da – Biermösel steht kurz vor der Frühpensionierung – kracht es auf einmal gewaltig im Ausseer Land. Schließlich müssen die Blutbäder, die uns im Titel versprochen werden, noch eingelöst werden. Also macht Rebhandl dem Gendarm noch einmal ordentlich Dampf unter dem Hintern und Biermösel braucht alle Stoik dieser Welt, um nicht in den Strudel der Ereignisse gerissen zu werden. Zum einen ist da der schwer depressive Ex-Lehrer Mallinger, der durch seine Raserei Frau und Kind verloren hat, mehr oder weniger auch gleich den Verstand dazu. Da ist der Ferrari fahrende Nachtclubkönig Schlevsky aus dem Deutschen Osten, der eine russische Schnepfe auf seinen Landsitz verfrachtet hat, und dort sind die Handtaschen klauenden Töchter der von Tragik umflorten Putzfrau Anni. Das Problem mit den verschwundenen Kampfhunden nicht zu vergessen.

Die Würfel fallen. Mallinger bringt den erektionsschwachen Puffkönig um, um an die Ferrarischlüssel zu kommen. Zuvor hat dieser die russische Schnepfe in den eisigen Keller gesperrt, weil sie ihm in den Tigertanga gekotzt hat. Der Lehrer krallt sich den roten Ferrari und fetzt ihn mit durchgedrücktem Bleifuß in eine unüberschaubare Kurve. Game over. Die nächsten Rennen fährt er dann in der Ewigkeit. Den Rottweiler essenden Scheinasylanten Mao Tse Tung erwischt es bei seiner Flucht aus Aussee. Er landet bei einem Zugunglück in der Scheiße, bei Rebhandl ist das wörtlich zu nehmen. Fall gelöst.

Die minderjährigen Handtaschenräuberinnen lässt der Biermösel aus purer Sentimentalität laufen, denn viele Jahre lang hat er von einem gemeinsamen Lebensabend mit der Anni geträumt und dafür auch eine Schachtel Mon Chéri in seinem Schreibtisch gebunkert. Auch abgehakt. „Scheiß drauf“, wie der Biermösel sagen würde.
Und damit kehrt wieder Ruhe und Frieden in Aussee ein.

Nachdem man sich an das gemächliche Tempo des Biermösel gewöhnt hat, kommt man am Ende des Buches ganz schön ins Schwitzen. Da spritzt das Blut kübelweise. Es ist allerdings Ketchupblut, denn der Biermöselkrimi ist alles andere als düster. Vielmehr ist ein schräger, cooler Jux daraus geworden, witzig, skurril, sehr authentisch der Ton und man fragt sich, ob der Autor wohl ebensoviel Spaß beim Schreiben hatte wie der Leser beim Lesen.

Lebensabende und Blutbäder.
Ein Biermösel Krimi.
Wien: Czernin Verlag, 2005.
224 Seiten, broschiert.
ISBN 3-7076-0075-0.

Rezension vom 13.02.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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