#Roman
#Prosa

Lanz

Andreas Weber

// Rezension von Eva Magin-Pelich

Gleich zu Beginn kann vermerkt werden, dass sich Andreas Weber, Jahrgang 1961, eines auch im Jahr 2004 brisanten Themas angenommen hat. Die drei Affen, blind – taub – stumm, die sich Augen, Ohren und Mund zuhalten, damit sie den Göttern nichts über die Bosheiten der Menschen berichten können, sind eine bekannte Allegorie. Nichts sehen, hören oder sagen bezeichnet aber auch die Fähigkeit vieler, sich aus rezentem Geschehen herauszuhalten, sich Wahrheiten zu verschließen. Ein Thema, welches wohl immer aktuell sein wird. Nicht zuletzt deshalb ist das Affenmotiv gut geeignet, den Roman Lanz zu eröffnen.

Welche Geschichte wird in Lanz erzählt?

Österreich, Ende der 1960er Jahre, eine Kleinstadt namens Lanz. Ein junger Mann kommt zurück in diese Stadt, in der er aufgewachsen war. Sein Vater ist gestorben, er nimmt an der Beerdigung teil und hat vor, bald wieder abzureisen.

Währenddessen geschieht Aufregendes im beschaulichen Lanz: Ein Mädchen wird ermordet. Zwei Affen werden tot aufgefunden, auch sie sind keines natürlichen Todes gestorben. Ein Lanzer begeht Selbstmord. Ein seltsamer Fremder namens Raimund Jordan taucht auf.

Was hat er mit Anna Jordan, der Frau, die kurz vor Kriegsende plötzlich und unfreiwillig aus Lanz verschwunden war, zu tun? War sie Opfer eines Lynchmobs? Ist sie es, die in dem nicht gekennzeichneten Grab auf dem Lanzer Friedhof begraben liegt?

Der Ich-Erzähler hatte sich zehn Jahre vor den jetzigen Ereignissen mit Anna Jordan beschäftigt, die Geschichte dann aufgegeben. Das Recherchematerial war schließlich in einer Kiste verschwunden. An all das erinnert er sich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Geschehnisse.

Es ist eine seltsame Geschichte, die da erzählt wird. Sie berichtet von den Verstrickungen der Kleinstadtbürger mit dem Dritten Reich, von ihrer direkten und indirekten Schuld, vom Verschwinden Anna Jordans. Es ist aber auch die Geschichte von der Schwierigkeit, die Wahrheit zu finden, das Schweigen mehr als 20 Jahre nach dem Geschehen zu durchbrechen. Ist das Dritte Reich mit Kriegsende wirklich ausgelöscht worden, oder überlebten Teile der Ideologie in einigen Köpfen, die noch immer das Sagen haben?

Im Roman sind immer wieder kursiv gedruckte Wörter eingestreut. Es handelt sich um Begriffe wie beispielsweise Pflicht, Helden, Heimat, Kameraden, Zusammenbruch. Solange Wörter wie diese aufgrund der Geschichte doppelt besetzt sind, nicht nur in ihrem Wortsinn verstanden werden, sondern immer ein größeres Ganzes mitschwingt, solange die Menschen vom „Zusammenbruch“ anstatt von „Befreiung“ sprechen, solange wird der Nationalsozialismus nicht wirklich aufgearbeitet sein.

Und auch in Lanz werden die Geschehnisse nicht wirklich aufgelöst – weder die vergangenen noch die gegenwärtigen. Es bleiben Fragen offen. Schuld und Verdrängung verwehren die wirklichen Antworten. Zwei der drei Affen wurden getötet, doch welcher ist es – der Blinde, der Taube oder der Stumme -, der überlebte?

Lanz.
Roman.
Salzburg, Wien: Otto Müller Verlag, 2004.
191 Seiten, gebunden.
ISBN 3-7013-1079-3.

Website mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 22.06.2004

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Informiert
bleiben

Sie können 3 Newsletter abonnieren:

  • Literaturhaus Wien News
  • Literaturhaus Wien Veranstaltungsprogramm
  • Österreichische Exilbibliothek News

Bitte schicken Sie uns eine entsprechende Nachricht mit dem Betreff „Newsletter bestellen“. Für Abbestellungen bitte im Betreff „Newsletter abbestellen“ schreiben.