Mit Kerner, zuerst 1987 veröffentlicht, tritt das Czurda’sche Schreiben in eine politische Phase ein, in der die herrschende Sprache als Ausdruck männlicher Herrschaft vorgeführt wird. Ideologiekritik findet hier die Form größter Sprachkunst, mehr noch: Erst ein so präzises und schonungsloses Eindringen in die Sprache ermöglicht letztlich ein Vorstoßen zur Kritik. Elfriede Czurda legt die Wurzeln der in der (Alltags)Sprache sedimentierten Gewaltverhältnisse frei. In einem staccatohaften Sprachsog – die Autorin spricht von einem „soldatischen Marschrhythmus“ – wird die Wahnwelt des Masseurs Kerner entfaltet, der seine eigene Tochter schwängert und sich zur Selbstbestätigung in alpinen Hochleistungssport flüchtet: „Das Mysterium Mann, das der Herr Kerner ist, und das Mysterium Berg, sie sind die überragenden Versteinerungen, mit denen sich die ewige Evolution ins Heute reckt.“ Das Denken Kerners und seiner Kameraden wird durch dieses übersteigerte Sprechen zur Kenntlichkeit entstellt. Aus der Sprache wird herausgekitzelt, was ihre Phrasen sonst verdecken. „Der Berg lockt nicht mit falschen Versprechungen. Der Berg ist ein ganzer Mann. Und der Herr Kerner. Man muß die Ebenen hinter sich lassen, den Alltag, die Routine.“
Kerner ist in dieser Neuausgabe aber nicht bloß nachgedruckt. Er erfährt eine Erweiterung um den Text „Eine politische Affäre“. Diese 30 Seiten können als eine Fortschreibung gelesen werden, die sich den Opfern des Masseurs Kerner zuwendet – den beiden Frauen, Mutter und Tochter, in deren Verhältnis die Gewalt weiterwirkt: „Aber nein du mußtest ja entstehen und dich rühren und strampeln in mir damit ich immer strampeln muß mein Leben lang.“ In den Vorwürfen der Mutter an die Tochter schreibt sich das Unheil fort. Ändern ließe sich das Verhängnis nur, das hat Czurda einmal in einem Gespräch gesagt, indem man die Sprache aus den Angeln heben würde. Die „politische Affäre“ endet heillos: „Aber dich strafe ich solange ich lebe du bist zur Hand du wirst es nicht besser haben als ich.“