#Lyrik

keine details

Sonja Steger

// Rezension von Antonia Rahofer

Tatsächlich – viele Details, und auch nicht wenige Anläufe und poetische Verfahren zu deren Beschreibung bemüht Sonja Steger in ihrem neuen Gedichtband keine details, der im Herbst 2009 bei Skarabäus in Innsbruck erschienen ist. Nach dem zuletzt 2004 von der Edition Innsalz herausgegebenen Lyrik-Debut „worte schmieden aus stein“ folgt damit nun ein knapp 80 Seiten umfassender Gedichtband, der – folgt man der Verlagsempfehlung, „mit Entschlossenheit und Verve das Augenscheinliche in jene wenigen Worte rafft, die letztlich das Unsichtbare und Ungesagte herausstellen“.

Dies geschieht bisweilen allzu direkt und beschreibend. Ähnlich barock wie der Klappentext gibt sich auch die Aufteilung des Bandes in die thematischen Einheiten „taten“, „orte“, „worte“, „zeiten“, „für“ und „stille“. Angesichts dieser Kapitelstruktur kann sich der Leser fragen, ob sie kuratorisch veranschlagt wurde, um inhaltliche wie formale Schwerpunkte einer intensiven literarischen Beschäftigung zu präsentieren, oder ob einfach versucht wurde, ein Potpourri an Material aneinanderzureihen, einen roten Faden zu beschwören, der in der Vielschichtigkeit der Inhalte – Liebe, Verlust, Kulturbetrieb und Selbsterkundung – sonst nicht so schnell zu finden wäre.

Geboren 1974 in Meran – mit diesem Hinweis auf der Titelseite ist den Gedichten ein „biographisches Credo“ vorangestellt, wie Helmuth Schönauer in seiner Besprechung bereits treffend festgestellt hat (http://www.lesen.tsn.at). Unverwechselbar an Schenna, Meran und Mals – die Heimatorte der Autorin – anknüpfend, kreisen auch die Gedichte im zweiten Teil „orte“ um Südtiroler Berglandschaften, die hie und da einen Ausreißer ins quasi-Ausland wagen: Österreich oder Italien sind die Grenzlandzüge, die in Stegers inneren Wortlandschaften ihre Spuren hinterlassen. Der Rekurs auf die Natur und ihre Formen- bzw. Zeichensprache bleibt dabei – die Gesamtheit der Texte umgreifend – einender Bezugs- und Ausgangspunkt. Teils geschieht dies auch mittels eines Sprachwechsels in Italienische, wie ein in Salzburg verfertigter Vers vorführt: „in questa città: / grigia su bianco / il mio sbiadire accelera“ (34). Ein unverzichtbarer und politisch bewusster Beitrag zur Aktualität von Südtiroler Mehrsprachigkeit, oder eher strategisches Muss, das einem exemplarisch-dokumentarischen Querschnittscharakter der Gedichtsammlung Rechnung trägt? Denn nicht zuletzt war die Autorin 2007 Gastkünstlerin im Atelier der Stadt Salzburg.

Die Orte der poetischen Auseinandersetzung in Stegers Gedichten, die sich den Mitteln der Narration nie ganz entziehen, pendeln zwischen gedächtnislos gewordenen Kulturlandschaften, die den Verweis auf eine scheinbar intakte Natur zwar noch in sich tragen, aber nicht mehr einlösen können. Angesichts dieses inhaltlichen Vakuums greift Steger in den restlichen, ausschließlich deutschsprachigen Gedichten ein wenig zu tief in den Farbadjektiv-Topf. Dazu zählen Zeilen wie „komm mit zur augenreise / wir nehmen ein bad / im blau-grünen grau“ (10) oder aber auch synästhetische Anklänge, die schnell zu erzwungen wirken: „inmitten / des frühlingsgebrülls: / der schreiendgelben forsythien / der braungeschwätzigen kirschblüten / des signalgrünen grases / ruhe suchen“ (74).

Zwar sind Sonja Stegers Gedichte formal knapp und einem betont losen, ungebundenen Versmaß verpflichtet, das versprochene Prädikat einer „ungezwungen präzisen Sprache“ (Verlagsprogramm) wird dennoch eher umschifft als eingelöst oder direkt ‚beim Wort genommen‘. So bemüht die Autorin mitunter müßige Wendungen, deren Effekt schon verhallt scheint, ehe er überhaupt wirksam werden konnte: „lichtwärts“ (7), „ich-wärts“ (13), oder auch neologistische Auswüchse wie „befruchtung-wärts“ oder „haus-zu“ (67) drängen eher den Gedanken an allzu manierierte Notlösungen auf als den Eindruck souverän-eleganter, sprachlicher Wendigkeit. Proklamationen wie „ich will mir einen sommer bauen / aus wort-welt-augenblicken“ (41) unterlaufen gängige Wahrnehmungsschemata wie literarische Realismus-Prämissen kaum. Auch gewinnt das lyrische Ich durch die Beschwörung eines Gegenübers mittels einer omnipräsenten Du-Ansprache kaum stärker an Kontur und Unverwechselbarkeit: „kein du / kein du-geruch“ (58), „du dorn-im-auge-der-angepassten“ (68); Da fragt man schon viel eher nach dem Sinn des Bindestrichs als nach verbleibender politisch streitbarer Aussagekraft. Nominal-Verbindungen wie „sich-an-das-leben-klammern“ könnten in „keine details“ ebenso durch ein „sich-an-die-wörter-klammern“ ersetzt werden, hinterlassen sie doch den Eindruck nachdrücklicher Bemühtheit, die nur selten ungezwungen daherkommt.

Überschaubar in ihrer Zahl und kurz in der Form sind Sonja Stegers neueste Gedichte, und zweifelsohne entspringen sie einer überaus elaborierten Beobachtungsgabe. Doch gleichzeitig entbehren sie bisweilen sprachlicher Treffsicherheit und Souveränität. Vielleicht täte es den Gedichten gut, wenn die Autorin sie – mithilfe der von ihr selbst proklamierten „herstellungsanleitung für texte“ – zur Revision noch einmal zurück in die Poesie-Produktionshallen schicken würde, ganz im Sinne von: „nach dem schlachtfest / reifen lassen / reduzieren / räuchern“ (46).
Und mit diesem Vers wäre ein erster Anlauf für poetische Präzision ja schon einmal geglückt.

Sonja Steger keine details
Gedichte.
Innsbruck: Skarabaeus, 2009.
80 S.; brosch.
ISBN 978-3-7082-3274-4.

Rezension vom 15.02.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Informiert
bleiben

Sie können 3 Newsletter abonnieren:

  • Literaturhaus Wien News
  • Literaturhaus Wien Veranstaltungsprogramm
  • Österreichische Exilbibliothek News

Bitte schicken Sie uns eine entsprechende Nachricht mit dem Betreff „Newsletter bestellen“. Für Abbestellungen bitte im Betreff „Newsletter abbestellen“ schreiben.