Die Aufmachung trügt. Zwar geht es in vielen Gedichten um das Verstreichen der Zeit: „was ist und was war/saison mancher sommer/am ende der reise/ein mausklick ein zeichen/gelöscht dann erloschen/verwichene wonnen“ heißt es etwa im Naturgedicht wienerwald (S.19). Auch in „laufen“, rennt die Zeit davon. In „unheilung“ neigt sich der sorgenvolle Tag dem Ende zu. Die Nacht bringt Angst.
Es geht um Vergänglichkeit, ja.
Es geht noch um viel mehr: Um das Weite, die Welt, das Leben.
Und vielleicht platziert der Lyriker Wagner gerade deshalb ein Gedicht der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson vornan: A word is dead/When it is said,/Some say./I say it just/Begins to live/ That day.
Wagner stellt die Vergänglichkeit der Lebendigkeit gegenüber. Seine Wörter leben. Sie stehen für sich, ohne blumig und beschreibend zu sein. Die Sprache ist reduziert. Schlanke, reimlose Gedichte. Trotz der Kürze verlieren sie sich nicht in dem luftigen Layout. (Die Gedichte sind links oben auf den Seiten angelegt.) Zudem wurde der Band sorgfältig gegliedert: fort. lust. unheilung – so nennt Wagner die drei Teile.
Fort führt den Leser hinaus: in den Böhmerwald. Ins Salzkammergut: Etwa nach Gmunden (hotelfront / am ufer/seeschloss/fontäne/genf/war dein einfall/der berg wandte/ich ein der/bergsteigerfriedhof, S.25), nach Hallstatt, an den Attersee. Bis nach Paris, wo Walter Wagner ebenso einige Zeit verbrachte. Zu erwähnen sind auch die Zeilen über die Geburtsstadt Linz, über die Zwerge vom Pöstlingberg. Auch in den Hochwald entführt Wagner. Dabei spielt er wieder – wie schon in seinem Band sternen und stimmen (Resistenz Verlag 2008) – auf Adalbert Stifter an.
Viele Gedichte im ersten Teil fort sind örtlich fixiert. Die anderen Gedichte benennt Wagner ebenso präzise: Seine Titel sind genau. Im zweiten Abschnitt lust heißen die Texte etwa „literaten“, „himmel“, „erwachen“ oder ganz einfach „beobachten“. Noch weiter hinten, im dritten, besonders tiefgehenden Abschnitt unheilung, trifft der Leser auf Gedichte wie „ratlos“, „laufen“ oder „geburt“.
Gemein ist den Texten, dass sie ohne Groß- und Kleinschreibung auskommen. Ein für Wagner typisches Stilmittel. Auch Interpunktion fehlt über die weitesten Strecken – nur selten findet sich ein bewusst gesetztes Ruf- oder Fragezeichen.
Wagners Gedichte, in denen sich das lyrische Ich bedeckt hält, regen zum Nachdenken an. Einmal lesen reicht nicht, um sie aufzunehmen. Man muss das Bändchen immer wieder aus der Jackentasche ziehen.