#Anthologie

IRRglaube

Gerald Eschenauer

// Rezension von Janko Ferk

Gerald Eschenauer verschlägt einem manchmal die Sprache

Gerald Eschenauer, heute siebenundvierzig Jahre alt, ist in Kärnten kein Unbekannter und seine Biografie gibt einiges her, da er nicht nur Schriftsteller ist. Zunächst hat er an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu neben Philosophie und Medienkommunikation auch Schauspiel studiert. Er war Rundfunkredakteur bei Kärntner Privatsendern. Jetzt ist er Lyriker und Prosaist. Als Autor hat er sich sogar an eine Trilogie getraut, nämlich die „Miefke Saga“ I – III.

Die „Miefke Saga“ ist eine Nachdenk-Trilogie, nicht nur über Kärnten, denn „Kärnten ist überall“, wie der Autor konstatiert. Die Bücher sind gleichsam „Spaziergänge“ in einem „Wunderland“, das es nicht gibt, in dem aber eine Chefredakteurin dem Dichter eine Absage erteilt, nämlich jene, dass sie seinen „Offenen Brief“ an einen Landesrat „nicht bringen“ werde, obwohl sie Verständnis für ihn als Kulturschaffenden habe und ihm zuletzt „ein frohes Osterfest“ wünscht.

„Das Schlachten der Schweine“ aus dem Jahr 2014 ist ein Buch über Beziehung, den Tod und das absurde Leben. Eschenauers Protagonisten sind real und fiktiv, auf rund einhundert Seiten geben sich „Zottelküsser“, „Bachmann-Pisser“ und „Literatur-Staatspreis-Schwänze“ die Hand. Ein Literaturnobelpreisträger ist nicht dabei. Bei der Lektüre dieses Buchs kann man lachen, so lang einem das Lachen nicht im Hals steckenbleibt.

Das Buch aus dem letzten Jahr mit dem Titel „Es scheint Hoffnung“ ist an und für sich ein kleiner Eschenauer-Sammelband mit Lyrik und Prosa. Es trägt konsequent den Senkrecht-, nicht Untertitel „Absurditäten“.

Das neueste Buch – er hat in letzter Zeit in rascher Folge einige veröffentlicht – ist der IRRglaube, das selbstbewusst mit der Wortfolge „Prädikat ‚lesenswert'“ für sich wirbt. Eigentlich ist der Werbegag nicht unbegründet.

Der Band ist gewissermaßen eine Eschenauer-Anthologie. Er hat im weitesten Sinn einen sogenannten roten Faden und versammelt Miniaturen und Kurzgeschichten beziehungsweise Prosa sowie Gedichte und aphoristische Einsprengsel, vermeidet aber, sich mit einem Untertitel streng für eine Gattung zu entscheiden.

Interessant ist der Gedanke des Autors, dass er mit seinem Werk „die fünfte Macht im Staate“ eröffne, nämlich „die Macht der Eigenverantwortung“, wobei es tatsächlich wünschenswert wäre, wenn sich die Leute endlich dazu aufraffen könnten, von der „Vollkasko-Gesellschaft“ Abschied zu nehmen. In Vielem ist ihm recht zu geben, obwohl er ziemlich radikal behauptet, alles sei im Fluss, „der zum Himmel stinkt“. Wie auch immer, der Autor spricht „Klartext“, ist er doch der Überzeugung, „Auch Schriftsteller tragen Verantwortung.“ Es sei sein Recht und seine Pflicht, „den Schutzschild der Arschkriecher“ zu durchbrechen. Ich pflichte Gerald Eschenauer „Wort für Wort, Satz für Satz, Seite für Seite“ bei.

Die Geschichten verbindet „die menschliche Handlungsebene“, wie der Autor selbst sagt. „An reinen Landschaftsbeschreibungen“, sagt er weiter, „bin ich nicht interessiert.“ Er ist kein langweilender, sondern ein spannender Autor. Eschenauer bezieht seine Themen aus seiner Kärntner Realität, die in ein größeres Umfeld eingebettet ist, das weit über unseren Kontinent reicht, und geißelt Missstände unerbittlich, zumal er weiß: „Varanasi ist heilig – und ein Geschäft.“ Der Tourismus und die Adventeinkaufssamstage sind es um nichts weniger. Daraus schließt er auf die „Verrückte Zeit“.

Zum Autor ist noch zu erzählen, dass er Literaturvermittler oder – besser gesagt – Kulturbotschafter ist. In Villach hat er die Literaturvereinigung „BUCH 13“ gegründet, die sich als Literaturplattform versteht, vor allem junge Schriftstellerinnen sowie Schriftsteller nach den gegebenen Möglichkeiten fördern will und die derzeit rund einhundert Mitglieder hat. Besonders zu betonen ist das Alpen-Adria-Literaturfestival „Seitenstechen“, das im Jahr 2020 in der Klosterruine Arnoldstein zum vierten Mal stattfinden wird. „Seitenstechen“ ist ein multiples Festival, das Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus dem Alpen-Adria-Raum auch in ihren Muttersprachen zu Wort kommen lässt, man hört neben Deutsch Friulanisch, Italienisch und Slowenisch. Aber nicht nur. Die musikalische Begleitung ist – wie man salopp sagen darf – vom Feinsten und die bildenden Künstler, die in der Klosterruine ausstellen, runden die interessante Kulturbegegnung ab.

Gerald Eschenauer ist ein Schriftsteller, wie ich ihn mir in unseren Tagen vorstelle. Einer, den die Menschen interessieren, und der Literatur nicht nur als Betätigung versteht, sondern als Gegenstand, den man vermitteln, das heißt, unter die Leute bringen sollte. Auch sein Band IRRglaube sollte unter gläubigen und ungläubigen Leserinnen und Lesern Verbreitung finden.

Gerald Eschenauer Irrglaube
Anthologie.
Wien: Mitgift Verlag
O. O., 2019.
160 S.; geb.

ISBN 978-3-903095-10-6.

Rezension vom 26.11.2019

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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