#Prosa

In flagranti

Werner Schandor

// Rezension von Sabine E. Selzer

„Abs. AA: Alles ist egal.
lit. B: Fehler sind der Majoran des Lebens, Sünden das Basilikum.
lit. BB: Basilikum ist ein erstrebenswertes Gut.
§4 Gut //“
Ein bisschen rebellisch, ein bisschen sprach-verspielt und immer wieder recht witzig bringt Werner Schandor (M)einsichten und Nein-Sichten zu Papier – und was ihm sonst noch einfällt zum Thema Wirklichkeit. „in flagranti“, der jüngste Band des Grazer Nachwuchsautors ist ein Streifzug durch sein Prosaschaffen der letzten Jahre.

In flagranti ertappt der Hubert im „Geschichterl vom Hubert“ seine Freundin „beim Pudern“ mit seinem besten Freund, in flagranti erwischt die Straßenbahn einen Dichter auf den Schienen, in flagranti erhascht der Autor einen Blick vom Schreibtisch auf die Katze, vom Landeshauptmann im O-Ton auf die Existenz an sich. Und am Ende „schaut doch alles nicht so schlimm aus. Aus.“

In flagranti ist eines jener Bücher, die viele Lesarten zulassen. Es bleibt in den Gedankenräumen, die wir bei der Lektüre passieren, genug Spielraum für eigene Spekulationen und Geschichten. Vieles wird angedacht, angeschnitten, Querschnitte, Durchschnitte, Thesen, Antithesen, Synthesen und „erst die Mathematik gibt dir das Gefühl“, zum Beispiel für Aufriss und Grundriss eines Gedankensprungs.

Schandor geht seit seinem Erstling, dem etwas anderen Kriminalroman „Glücksfall“ literarisch neue Wege nach dem Motto „Wir aber können alles metaphorisch sehen. Denken an Mauthners Fritze (‚Die Sprache ist eine Hure.‘). Und lachen uns die Hucke voll.“ Und die Hure Sprache kennt keine Berührungsängste, lässt sich ge-brauchen, formen, kneten, Opfer und Täter zugleich, wenns ihr an den Kragen der Konventionen geht.

Und doch ist „in flagranti“ nicht rein experimentelle Literatur. Und traditionelles Erzählen schon gar nicht, auch wenn sich Reste davon abzeichnen, etwas im Bonustrack „Was mich fertig macht“, in dem der Protagonist (ein Schriftsteller?) mit allen Mitteln (Milch und Semmeln inklusive) und letztendlich vergeblich versucht, die allmorgendlichen Verbalattacken des Hausmeisters auf seinen non-konformen Lebenswandel abzuwehren: „Geh was arbeiten, Gfrast!“

Die versammelten Prosatexte sind großteils genüsslich subversiv und schwer einzuordnen. Reichen stilistisch und inhaltlich vom ironischen Aphorismus über essayistisch-philosophische Anklänge bis zur Suche nach neuen Erzählformen. Auf den ersten Blick sehr inhomogen, hält den Band aber doch so etwas wie ein roter Faden zusammen. Motive werden immer wieder aufgenommen, Zwischentexte, „apodiktische“ Vorbemerkung und Postskriptum verbinden die einzelnen Teile zu einem vielfältigen und vielseitigen Ganzen.

In flagranti ist Ausdruck eines Schaffensprozesses, der viele Möglichkeiten offenlässt, es ist kaum abzusehen, in welche Richtung der Autor sich weiter bewegen wird. Aber eines ist sicher: wir werden wieder von ihm hören.

Werner Schandor In flagranti
Prosa.
Linz, Wien: Resistenz Verlag, 2001.
101 S.; brosch.
ISBN 3-85285-070-3.

Rezension vom 18.03.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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