Rupert Henning hat fünfzig Gedichte in seine Publikation gepackt, zehn Blöcke zu je fünf Gedichten. Die einzelnen Gedichte sind in der Regel kurz, umfassen meist nur wenige Verszeilen. Oft setzt der Autor Verse kursiv, um den Lesefluss zu brechen und Spiegelungen zuzulassen, ansonsten aber kommen die Gedichte mit wenig lyrischem Werkzeug aus.
Henning wandelt mit seinen Gedichten in der Natur, schreibt sich in die Jahreszeiten ein, etwa im Gedicht „Oktober“: Diesen Oktober versäumt: / die Tage, genäht / aus dem Zug der Vögel, / die Brüche des Himmels, / dich, wie du zitterst; alles. / Nur eine Spur: draußen Nebel, / rasch erzählst du Geschichten / (wortkarg), ich lausche.“
Eine schöne Stimmung, eine gute Basis – hier, wie auch in vielen weiteren Gedichten, wäre aber mehr herauszuholen gewesen.
Schlicht und schön beschreibt das Gedicht „Zum Himmel hinab“ Isolation und Distanz: „Zum Himmel hinab regne ich. / Für niemanden bin ich / ein Wort, das ihn wärmt. / Die Welt lass ich heran / bis auf wenige Schritte.“
(Zu?) oft werden Naturbilder, -vergleiche und -metaphern verwendet, um Gefühle auszudrücken. Einige Beispiele: „Dann kam schon der Winter / zwischen uns beide“, „… in dein Frühjahr lass mich“ oder „Du bleibst: Hagel.“
Mehr oder weniger gelungen sind Komposita wie Halbmondlachen, Liderschmerzraben, Himmelland, Forellenkunst, Schimmerhund, Lichtbach, Herzfaden oder Zahlennetz.
Ein junger Verliebter gibt das „Versprechen“: „Wenn du kein Meer hast, / ich schreibe dir eines. / Und immer, und immer: / halt ich dich warm / in den Silben auf meiner Zunge.“
Wörter, die Liebe schaffen, Wörter sind aber auch lesbare Unrast: „Die Worte sind: / lesbare Unrast, / Nachricht aus einem Drüben. / Mein Herz hat jede Gestalt. / Das Lieben ist: / Gang mit dem Traum.“
Sind das Gedichte oder nur lose aneinandergehängte Gedanken?
Gelungen sind die fünf Gedichte des vorletzten Zyklus „Im Ruf eines Vogels“, in denen vom Tod des Vaters die Rede ist. Hier schafft Henning eindringliche Bilder, hier stimmen Thema und Form überein.
Insgesamt merkt man den Gedichten aber an, dass die zähe Arbeit an der Form fehlt, das Abarbeiten, Entwickeln, Zuspitzen, Ändern, Zurücknehmen, die Spracharbeit. Zu oft bleibt Rupert Henning in jugendlichen Andeutungen haften, in den Ansätzen stecken, umkreist er vage Unaussprechliches und Undurchdachtes, anstatt es durchzudenken und auszusprechen.
Rupert Henning mag ein Multitalent sein – der Verlag weist ihn als Dramatiker, Schauspieler, Satiriker, Drehbuchautor, Übersetzer aus, der ORF stellt ihn auf seiner Homepage als seinen „Star“ vor, der an unzähligen Produktionen mitgewirkt hat. Zudem tritt Rupert Henning auch als Kabarettist auf. Er ist offensichtlich ein Spracharbeiter, ein Generalist, – ein Lyriker ist er aber nicht.