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Im nächsten Moment

Bernhard Seiter

// Rezension von Alexander Peer

Der nächste Moment in Bernhard Seiters Im nächsten Moment ist gewiss keiner des Ankommens. Die Hauptfigur Hans Reiter ist ein Getriebener und hetzt erst durch Wien und dann angesichts einer ungeplanten, exquisit tölpelhaft ausgeführten Entführung durch sein bisheriges Leben. Es mag sein, dass ein gewisser Stanislaus Demba ein literarischer Großvater dieses Hans Reiter ist. Wie Demba in Perutz‘ Zwischen neun und neun durch Wien und vor allem den neunten Bezirk eilt, so stürzt Reiter von einer Manie in die nächste und formuliert dabei einen unkonventionellen Reiseführer der Bundeshauptstadt. Auch hat Reiter eine Pistole dabei und gleicht darin dem tragikkomischen Demba. Schließlich spielen gar Handschellen in beiden Romanen eine besondere Rolle.

Eine Stelle wie auf Seite 83 verdeutlicht das dem Protagonisten innewohnende Verhängnis: „Als sie sich entfernte, dachte er sofort: Nun wieder alle Konzentration auf meinen Kummer! Ganz ängstlich überlegte er, dass er seinem Schmerz auf keinen Fall erlauben durfte, unscheinbar zu werden. Im Gegenteil, er musste ihn überwältigend werden lassen!“ Hans Reiter vergewissert sich an mancher Stelle seines Pathos und sichert sich damit Leiden schaffendes Wahrnehmen. Wie erwähnt, der Enkel von Stanislaus Demba.

Natürlich ist das Vergleichen von Texten ein Ärgernis, und es soll damit nicht vergleichend geurteilt, sondern vielmehr deskriptiv festgestellt werden. Der Anlass von Reiters Aufregung liegt im Verschwinden seines Sohnes Marlon. Ein Verschwinden, das erst auf der letzten Seite seine – durchaus versöhnliche – Aufklärung findet. Dieses für Hans Reiter unerklärliche und in der Folge nicht zu erklärende Verschwinden treibt ihn in ein ziemliches Schlamassel. Erst will er dem Lehrer von Marlon, Pölzlbauer, nur mündlich von den ballestrischen Qualitäten seines Sohnes überzeugen. Denn der Lehrer will sich erdreisten, dem designierten Ballgenie nur ein „Gut“ in Turnen zu geben. Dann – recht verwirrt und aufgewühlt durch die Begegnung mit einer Frau – entführt er planlos den Pädagogen und sperrt ihn in seiner Speisekammer ein. Dazwischen erfahren die Lesenden des Buchs einiges über die Kindheit von Marlon in Form eines telegrammartigen Tagebuchs, das vor allem dazu dient, die Neigung zum Fußball zu dokumentieren.

Stakkatoartig schildert Bernhard Seiter das Innenleben seines Helden, der seinem Tun hilflos hinterher reflektiert und zwischen dem Anspruch, ein fabelhafter und ein gelassener Vater zu sein, kläglich zu scheitern droht. Manch witzige Passage unterhält. Der Stil dieses Textes ist jedoch unauffällig und wenig überraschend. Die kurzen Sätze treiben die Handlung gut voran. Eine Handlung, die allerdings – diesen Vorwurf muss sich das Buch ebenso Gefallen lassen – recht dünn geraten ist. Viel eher entsprechen Form und Inhalt dem Charakter einer Erzählung oder short story im amerikanischen Verständnis. Die Konflikte zwischen den Personen sind letztendlich zu eindimensional gestaltet.

Im nächsten Moment.
Roman.
Wien: Picus Verlag, 2013.
204 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-85452-695-7.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 08.05.2013

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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