#Lyrik

Handgewebe Lapisblau

Dine Petrik

// Rezension von Astrid Nischkauer

Unter Handgewebe lapisblau stellt man sich einen sehr fein gewirkten Stoff vor, durchscheinend und weich. Wie fein dieser Gedichtband gewebt ist, verrät bereits das Inhaltsverzeichnis, in dem einige der direkt aufeinander folgenden Titel in engem, klanglichen Bezug zueinander stehen – wie kampf und krampf, verwehrt und versehrt, oder meisterhaft und augenhaft.

Die Fäden, welche die Gedichte in Dine Petriks Handgewebe lapisblau zusammenhalten, sind jedoch weniger stofflicher als musikalischer Natur. Denn ihre Gedichte sind mehr komponiert als geschrieben, werden getragen von Musikalität und kreisen oft auch thematisch um Musik:

ELEGISCH
[…]
nahe töne, bogenstriche
tonkontinuen, verwobene
nuancen eng verschlungen
gehen tief entlang der
notenskala
– stille
dieser zustand glück inside
ein arioso das wort tränen
unterdrücken
tiefe atemzüge

ist nicht nachzusingen
: Schuberts streichquintett c-dur
(Seite 22)

Schon Gedichttitel wie schlaflied, wien lied, virtuos, andante, pause, furios, mondlied, oder chorgesang verweisen direkt auf Musik. Diese wird als etwas beschrieben, das bereits in der frühesten Kindheit Halt zu geben und Trost zu spenden vermochte.

TRÄUME
gibt kein reden fragen furien heulen hören
nicht mehr auf im kopf im kinderkopf fiebrige
schleier fest hineingemummelt in die angst
die skala steigt fast bis hinüber rostige zeiger
scharren aus im fahlen schneelicht da und dort
ein baum ein haus das boot das blaue ob es
trägt es tragen wird das blaue boot nach
ziehen nicht besteigen aus dem eismond
schlingern töne klarinettentöne –
erster anhalt für das kind
(S. 52)

Neben Franz Schubert werden unter anderem auch Gustav Mahler, Richard Wagner, Tom Waits, David Bowie, Mick Jagger, Benjamin Britten, Béla Bartók und Luigi Nono in den Gedichten thematisiert. Musik als Teil der Menschheitsgeschichte lässt sich bis zurück in die Steinzeit belegen:

SCHLAFLIED
[…]
klangsteine
trommelstöcke
taktsignale, erste
evidenzen für musiken
(S. 10)

Von musikalischen Äußerungen der Steinzeit zu den sogenannten neuen Medien: Dine Petrik spannt souverän einen weiten Bogen von den Anfängen der Menschheit bis in unsere Gegenwart:

GUTER JOB
[…]
twittert sich tag
täglich hin und her
ins nimmermehr –
(S. 76)

Weltzugewandt sind die Gedichte auch in anderer Hinsicht, wenn sie Worte finden für Krieg, atomare Verstrahlung, oder die Zerstörung von kulturellem Erbe:

WÜSTENSEGEL
[…]
der riss durchs alphabet
nachdem längst schon das lapis
blau der göttin Ischtar leer
geplündert, längst der
letzte zikkurat zertreten
von soldatenstiefeln
platt getreten ist
(S. 13)

Strophen werden auf dem Bahndamm gepflückt und „wilde jamben/ treten grenzen ein“ während in den Gedichten „wortstaub der das nichts bedeckt“ aufgewirbelt wird: „das wunderfieber buch“ ist höchst ansteckend und Handgewebe lapisblau von Dine Petrik überaus lesenswert!

Dine Petrik Handgewebe Lapisblau
Gedichte.
Weitra: Bibliothek der Provinz, 2023.
88 S.; brosch.
ISBN 978-3-99126-175-9.

Rezension vom 17.05.2023

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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