Das auf einer Lichtung gelegene Forsthaus ist ein Idyll. Die Außenwelt dringt nur durch Tageszeitungen und gelegentliche Besucher in die Abgeschlossenheit ein. Doch bereits der Schutzumschlag des Buches mit dem Bild saftgrüner Hanfblätter deutet an, dass dieser Ort nicht ganz dem Kuhglück saturierter Biedermeierlichkeit entspricht. Kristyna-Oma mit „faltenschönen Augen“ stellt berauschende Kräuterzigaretten („Ables, Sputniks, Godfathers“) her und verdient damit ein Vermögen. Ihre Kunden kommen aus der Stadt und aus höchsten Kreisen. In diesem Refugium wird gekifft und geliebt, es wird gelesen und genossen. Wir Leser*innen können über einiges nachdenken, über anderes dank Sautners Humor lachen. Für Malina, die auf der Suche nach dem Kern ihres Wesens ist, wird Großmutters Veranda zur „Freiluftuniversität für das Große und Ganze“ mit „Frau Professor Oma Kristyna“.
Malina ist eine eifrige Studentin, denkt viel über Literatur und Philosophie nach, unterhält sich mithilfe handgeschriebener Zettel mit Jakob, der sich weigert zu sprechen. In ihrem Bericht hält sie fest: Ich durfte Jakob lesen wie ein Buch. Und mich durfte er, nun ja, mich durfte er lesen wie ein Hörbuch.“ Schließlich entdeckt sie gar, dass die Weite des Nachthimmels dieselbe ist wie die Weite in ihr. Trotz ihres begeisterten Lesens bleibt Malina mitunter eine nicht sonderlich begabte Schriftstellerin. Nicht ganz selten sind Stellen klischeehaft und kitschig. „Nachtschwarze Stille. / Ich fühlte sie plastisch an mir. Sie füllte das Zimmer. Als bestünde sie aus Badeschaum.“ Weil etwas Kitsch dem Leben manchmal gut tut, noch ein Beispiel: „Der Mond stand am Himmel wie eine Schüssel dampfende Vanillemilch. Dahinter waren, weit entfernt, kleine Sonnen angeknipst.“
Thomas Sautner bedient sich an etlichen romantischen Motiven, er lässt Träume erzählen, platziert in der Mitte von Großmutters Haus den Zugang zum Zentrum des Universums und mitten im Wald ein Tal der Dichter mit Versen wie diesem: „Wie groß du bist? / Sieh hinauf in die Unendlichkeit. / Sieh hinaus zu den Sternen. / Groß genug bist du. / dies zu sehen.“ Die Idylle von Großmutters Haus enthält tatsächlich eine utopische Dimension, in der aus der Ungeborgenheit eine Ahnung von Heimat und Bestimmung aufblitzt. Ob die pastorale Gesellschaft von Großmutters Haus allerdings als Paradigma für die Welt außerhalb taugt, in der wir uns vermutlich alle befinden, bleibt zweifelhaft. Eben doch Biedermeier