#Prosa

Geschichten vom
Alphahund Omega

Peter Veit

// Rezension von Karin Cerny

Der Titel spannt den Bogen weit: Von Alpha bis Omega. Die ganze Bandbreite – wie in einem Lexikon, das bei A beginnt und bei Z endet. Nicht ohne Grund nennt Peter Veit sein Buch eine Fibel. Folgt man der ursprünglichen Bedeutung des Wortes (fibula = Klammer oder Spange), in prähistorischer Zeit eine Art Sicherheitsnadel, um Gewänder zusammenzuhalten, wird auch die Arbeitsweise Veits nachvollziehbar. Rund 4.000 Bücher hat der Autor verarbeitet, indem er die Anfangs- und Endsätze entweder im Originalton oder verfremdet aneinandergereiht hat. Entstanden sind gänzlich disparate Textschichten, die ähnlich den Wäschestücken mit der Nadel nun vom Buchrücken zusammengehalten werden.

Peter Veit setzt in seinem Text zwei völlig gegensätzliche Pole in ein Spannungsverhältnis zueinander. Auf der einen Seite steht der Versuch einer groß angelegten Universalgeschichte der Bücher. Insofern ist Veits Text eine Art Bibliothek, vollgefüllt mit Auszügen aus jahrhundertealter Schrifttradition – im Namenregister der zitierten Autoren finden sich über tausend Autoren aus den verschiedensten Epochen, Gattungen und Bereichen, Philosophie neben Drama, Filmemacher neben Malern, Antike neben Moderne. Eine Klammer, die zumindest tendenziell alles und jeden erfaßt. Den Gegenpol dazu bildet die völlige Zerfaserung und Zersplitterung von Sinneinheiten. Den großen Zusammenhang gibt es nicht, zumindest nicht auf erzählerischer Ebene. Geschichten beginnen und enden abrupt. Kaum hat man sich wo festgelesen, hört der Text auf, fängt was völlig anderes an.

Peter Veit schreibt im Pressetext über sein Buch von einem „schlendern durch die unendliche variabilität aller satz-inhalte“ und träumt den Traum des Autors als DJ, der Material sampelt und Stile mixt, um einen eigenen Sound zu produzieren. Am besten gelingt ihm dieser Sound in den einzelnen Kapitelüberschriften etwa durch minimale Bedeutungsverschiebungen („über die Zerstreutheit beim fremdsein“, S. 118) oder durch gewollte „Verschreiber“ („star wars – krieg der welpen“, S. 103). In diesen Fällen ist eben auch das Ausgangsmaterial noch präsent. Über lange Strecken aber bleibt der Text mühevoll eingescanntes Stückwerk. Kraut und Rüben – ohne erkenntlichen Witz oder eigenen Sound, bloß von einem interessanten Grundgedanken zusammengehalten, Brauchbar als schöne Sammlung, aus der sich der Leser das eine oder andere herauspicken kann.

Als Konstanten kreisen Robert und Maria durch die Texte. Sie sind sozusagen Adam und Eva der Literatur, finden sich in tausend verschiedenen Geschichten, mit tausend verschiedenen Gesichtern wieder.

Schade ist auch, daß Veit die zweite Bedeutung von „Fibel“ nicht wirklich auszufüllen imstande ist: ein ABC-Buch, ein Leselernbuch für Kinder, das schlau und verspielt dem kindlichen Denken angepaßt ist, das sich bemüht, anschaulich und lebendig in seinen Texten zu sein; das Altbekanntes wie neu erscheinen läßt.

Peter Veit ist leider zu sehr Sammler und Jäger, als daß er ein raffinierter Koch wäre. Oder, um es mit einem anderen Bild zu sagen: Er verwendet zu viel Zeit zum Plattenanhäufen und vergißt darüber, wie toll es eigentlich ist, zu tanzen.

Geschichten vom Alphahund Omega. Eine Fibel.
Klagenfurt, Wien: Ritter Verlag, 1998.
295 Seiten, broschiert.
ISBN 3-85415-233-7.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 09.11.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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