Selbst zu Wort kommt Danny in der Geschichte, die von ihm handelt, also nicht. Rund um diese Leerstelle entwirft Anna Kim in ihrem jüngsten Roman ein biografisches Mosaik, das durch Gespräche mit Joan und den Bewohner:innen von Green Bay allmählich an Kontur gewinnt. Eine nicht unwesentliche Quelle sind dabei auch die vom Sozialdienst der Erzdiözese Green Bay erstellten Akten. Dieser tritt auf den Plan, nachdem Daniels Mutter ihren Sohn unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigibt. Der Sozialdienst sieht sich nun mit dem Problem konfrontiert, eine Pflegefamilie für den „Mischling“ zu finden. In Person von Marlene Winckler wird eine „case workerin“ mit dem Fall betraut, die ursprünglich an der 1912 von Ilse Arlt gegründeten Wiener Fürsorgerinnenschule, einem Pionierprojekt der sozialen Arbeit, zur „Volkspflegerin“ ausgebildet wurde, dann jedoch unter den Einfluss der Nazi-Rassenideologie gerät und bis zu ihrer Suspendierung bei der Ermittlung von Dannys „negrider“ Abstammung alle Register zieht.
In Zeiten von Black Lifes Matter legt Anna Kim mit der Geschichte eines Kindes einen fulminanten Versuch vor, basierend auf einer „wahren Begebenheit“ den tief verwurzelten Rassismus als eine historische Wirklichkeit zu schildern, die heute kaum mehr jemanden kalt lassen kann. Nicht nur Joan und Franziska, sondern auch die Bürger:innen von Green Bay beginnen sich für diese exemplarische Geschichte des gutmütigen Busfahrers Danny zu interessieren, die zwar dramatisch beginnt, bei den Pflegeeltern aber eine unerwartet glückliche Wendung nimmt.