#Sachbuch

Georg Drozdowski in literarischen Feldern zwischen Czernowitz und Berlin (1920-1945)

Günther F. Guggenberger

// Rezension von Sigurd Paul Scheichl

Georg Drozdowski war im Umfeld der Czernowitz-Mythen selbst zum Mythos geworden, als mehr oder minder Letzter aus der Zeit der literarischen Blüte in der Bukowina, der obendrein in Österreich lebte. Höchste Zeit also für eine ihm gewidmete Studie, der in diesem Fall zugute kommt, dass der Verfasser lange vor Ort, in Czernowitz, recherchieren konnte.

Positivistisch lässt die Arbeit wenig zu wünschen übrig: Über den Drozdowski bis zur Abwanderung aus seiner Heimat erfährt man hier so gut wie alles. (Einziger Einwand: Eine halbe abrundende Seite über das Leben des Autors in Klagenfurt wäre schon möglich gewesen; man erfährt zwar dann doch etwas darüber, aber die Biografie bricht auf S. 36 etwas abrupt ab.) Sehr wertvoll sind die ausführlichen bibliografischen Anhänge, die wohl so gut wie alles verzeichnen, was Drozdowski je geschrieben hat, auch unveröffentlicht Gebliebenes aus dem Nachlass. Nicht weniger Interesse verdienen die auf den Seiten 323 bis 355 abgebildeten Dokumente.

Sonst ist das Buch unbefriedigend. Guggenberger stellt sich einfach nicht die grundlegende Frage nach der Qualität von Drozdowskis Werk. So holprige Gedichte wie die hier zitierten kann man nicht ‚interpretieren’; zu viel spricht dafür, dass der Autor sie schnell geschrieben hat‚ ohne viel an die Form zu denken oder gar Zusammenhänge zwischen formalen Mitteln und ‚Anliegen’ zu planen. Für die von Guggenberger mehr nacherzählten als vorgestellten Kurzgeschichten Drozdowskis aus Czernowitzer Zeitungen gilt wohl das Gleiche: Sie sind Unterhaltungs- wo nicht Trivialliteratur. Der eine oder andere Text mag ein bisschen interessanter sein, doch insgesamt hat Drozdowski vor allem wohl deshalb nie im literarischen Leben der Bukowina und erst recht nicht des gesamten deutschen Raums Fuß gefasst, weil seine Texte nicht gut genug sind. Insofern erübrigt es sich, ihn in Spannungen zwischen verschiedenen Feldern einzuordnen oder die postkoloniale Theorie auf ihn anzuwenden (was Guggenberger zwar programmatisch ankündigt, aber ohnehin nicht durchführt).
Zusammenfassend: Guggenbergers uneingeschränkt zu lobender Gründlichkeit in der Erfassung des Materials steht eine nicht annähernd gleich hoch zu schätzende Fähigkeit zur Analyse von Texten gegenüber. Ein großer Teil des Buchs gibt aber vor, solche Analysen zu bieten. Leider am ungeeigneten Objekt und mit großer methodischer Unsicherheit. Auf Mängel und Fehler im Einzelnen gehe ich nicht näher ein.
Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zum kulturellen Leben in Czernowitz zwischen 1920 und 1940, in dem Drozdowski eine Rolle gespielt hat. In die Literaturgeschichte wird der mittelmäßige Lyriker schwerlich eingehen, auch nicht durch diese Monografie.

Günther F. Guggenberger Georg Drozdowski in literarischen Feldern zwischen Czernowitz und Berlin (1920-1945)
Sachbuch.
Berlin: Frank & Timme, 2015.
344 S.; brosch.
ISBN 978-3-7329-0169-2.

Rezension vom 25.04.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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