#Roman

Geld!

Peter Rosei

// Rezension von Judith Leister

Geld ist bekanntlich ein schwer zu fassender Gegenstand – besteht doch das Wesen des Geldes allein in seinem Tauschwert. Diesem ausgeprägten Mangel an Substanz steht auf der anderen Seite das große gesellschaftliche Verlangen nach Geld gegenüber. Geld! hat Peter Rosei seinen schmalen, nur 170 Seiten fassenden Roman daher folgerichtig genannt. Mit Ausrufezeichen, als hätte da gerade jemand freudig eine sprudelnde Geldquelle entdeckt, aus der die Münzen und Scheine nur so in Hülle und Fülle herausschössen.

Das Thema Geld kann in Zeiten, die von Finanz- zu Wirtschaftskrise und wieder zurück torkeln und in denen schwankende Kurse fast mehr Angst machen als Tornados, keine ganz falsche Stoffwahl sein. Erwartet uns nun bei Rosei eine Insiderstory aus der Welt der Banker und Broker? Meeting-Runden soignierter Herren an Edelholztischen auf brünettem Teppichboden? Gehetzte Spekulanten mit Schweiß auf der Stirn und unter den Achseln? Fehlanzeige!

Peter Rosei hat – in äußerst komprimierter Form – einen Wiener Gesellschaftsroman geschrieben, der nur am Rande mit der Finanzbranche zu tun hat, aber dennoch auf Geld fokussiert. Denn die meisten der Figuren reden zwar nicht über Geld, sie haben es jedoch und möchten es mehren. Dieser Fraktion steht eine Gruppe von Aufsteigern gegenüber, die wiederum an der Seite derer, die schon Geld haben, unbedingt zu Geld kommen wollen.
Da ist der reiche 60-jährige Werber Georg Asamer, der allein mit seiner „ranzigen“ Haushälterin in einer Villa wohnt und sich müht, sich an seiner Lebensleistung zu freuen, während der Tod ihn schon aus dem Spiegel anzugrinsen scheint. Er zieht sich den jungen, dreisten Andy Sykora als Nachfolger auf dem Chefsessel heran, ohne dass dieser es ihm durch Zuneigung danken würde.
Ein anderer Reicher ist ein Schweizer Konzernerbe, der einst vor der Last des väterlichen Erbes – und nach einer plötzlich abgesagten Hochzeit – in die Südsee geflohen ist. Dort leitet er das Hotel, in dem Sykora samt Gattin, einer Sekretärin aus Asamers Werbeagentur, die Flitterwochen verbringt. Später, wieder in Europa, wird die junge Gattin Sykoras undramatisch in den Besitz des Schweizer Erben übergehen.
Zugleich folgt der Roman den Spuren jener Dame aus reichem Hause, die den Schweizer Erben einst vor dem Altar stehen ließ. Diese Frau, die sich gern im Künstlermilieu tummelt, lässt sich wiederum mit einem jungen Broker ein, der als Kind böse geschlagen wurde und bei Pflegeeltern aufgewachsen ist.

Auf diese oder jene Weise – Sex, Gewinnstreben oder Zufall – sind die Personen in seltsamen Symbiosen miteinander verbunden. Gegen Schluss des Romans verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Spekulation, an der sie beteiligt sind, verdächtig auf eine platzende Blase zusteuert. Getreu dem Gedanken, dass Geld immer etwas mit Abwesenheit (von etwas Wichtigerem) zu tun hat, bricht der Roman vor der erwartbaren Katastrophe plötzlich ab.

Über weite Strecken von einer wunderbaren, dem Leser geradezu physisch wohltuenden Sprache getragen, gelingt Peter Rosei ein psychologisch scharfsichtiger Roman über typisch österreichisch anmutende Milieus. Dabei steht die Substanz seiner Erzählung in absolutem Gegensatz zur Substanzlosigkeit seines Personals.

Peter Rosei Geld!
Roman.
Salzburg, St. Pölten: Residenz, 2011.
176 S.; geb.
ISBN 9783701715718.

Rezension vom 01.09.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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