Die verstorbene Geliebte ist in diesem Buch allgegenwärtig und der 1951 geborene Autor leistet Trauer- und Erinnerungsarbeit, spricht über sein gefundenes und wieder verlorenes Glück: „der zufall des glücks / das glück des zufalls / mehr als ein halbes leben / fast ein halbes leben / gibt der zufall des erinnerns / kurzes glück“. Der Band beinhaltet auch ein Gedicht, das in Koproduktion mit Elfriede Gerstl entstanden ist: „spätes grünen“. Im Frühjahr 2008 schrieb das Paar den Text; zu einer Zeit, als die Krankheit der Lyrikerin bereits fortgeschritten war und das Paar nicht nur das Schreiben und den gemeinsamen Sprachkosmos teilte, sondern auch einen Leidensweg miteinander bestritt: „die niedergelassenen dichter / pendelnd / zwischen praxis und praxen / im visier der ärztlichen kunst /an werken werkend“.
Die Erinnerung ist auch abseits der Verbindung mit Elfriede Gerstl ein zentrales Thema. In „schleifen der erinnerungsschleifen“ untersucht der Autor, wie das Gedächtnis funktioniert: „in erinnerungsschleifen / an die wir uns erinnern / immer anders erinnern / immer neu und immer anders / erinnern wir uns erinnern“. Dass Wimmer Erinnerung und Gedächtnis als etwas Fragmentarisches wahrnimmt, darauf deutet schon der Titel des Bandes ganze teile hin. Das letzte Essaygedicht gleichen Titels beschreibt des Autors Auffassung, dass Bewusstsein, Erkenntnis und Kunst keine absoluten Kategorien sind. Die menschliche Welt ist vielmehr „(…) der ausschnitt / aus rahmungsverhältnissen (…)“.
Nicht nur inhaltlich gilt das ganze teile-Prinzip für Wimmers Texte, er folgt diesem auch formal. Wieder präsentiert er sich in der Tradition der Wiener Gruppe. Experimentierfreudig verschiebt er Textteilchen, verzerrt dadurch seine Bilder, wirft sie dem Leser durcheinandergeschüttelt wieder zurück – etwa im Gedicht „medien-litanei“: „ablenkende angst / formatiert uns / von ängsten ablenkende angst / wir informatieren uns / ablenkende unterhaltung / formatiert uns / von unterhaltungen ablenkende unterhaltung / wir informatieren uns“. Der Text steht neben anderen medienkritischen Auseinandersetzungen, wie unter anderem „mess age“, das Zeitalter der „mess destruction / chaosvernichtung“.
Auch die englische Sprache dient Wimmer also zu allerlei Wortkreationen, bei denen man sich hie und da des Eindrucks nicht erwehren kann, dass des Autors lyrische Technik zur groben Masche verkommt. So gut diese Vorgehensweise in manchen Gedichten aufgehen mag – vor allem in jenen, in denen er Gerstl besingt –, oft werden bloße Binsenweisheiten erzeugt. In „im kontemporänzlein“ heißt es lediglich und ziemlich platt: „aktuelles wird historisch / historisches wird aktuell“.
Weitaus schöner sind da die Gedichte, die über die bloße Wortspielerei hinausgehen und auch anderen lyrischen Prinzipien folgen, wie „sommerstag“, wo Wimmer den Himmel zum pulsierenden Gewebe und den Betrachter zu einem Teil der eigenen poetischen Technik – der Spiegelung – werden lässt: „venenblau der himmel / wolkenstränge auf der liege / im einfall des lichts / liegen photonengewalkt / etwas selbst das / beobachtet was selbst / wird im beobachten / durchbluteten gewebes“. Mehr von diesen fantastisch-photonengewalkten Texten wäre durchaus reizvoll gewesen.