#Prosa

Gänsehaut

Austrofred

// Rezension von Johanna Lenhart

Séancen! Wunderheiler! Geister! Man kann es kaum glauben, aber ja, doch, es hat sich alles genau so abgespielt – wer würde daran zweifeln. Denn was Austrofred an Gruseligem und Seltsamen auf seinen Reisen durch die Republik begegnet, geht auf keine Haut und ist zu absurd, um ausgedacht zu sein – ehrlich!

Als Rockmusiker auf Tour durch Österreich spürt der selbsterklärte „Champion“  (S. 142) – „Ein Rockstar bist du zuallererst im Kopf.“ (S. 51) – immer wieder „die Präsenz von „etwas Anderem“, […] das „Außer-Gewöhnliche“, das nicht greifbare „Über-Natürliche““ (S. 24).

Aber selbstverständlich löst Austrofred mit dem „seziermesserscharfen Seziermesser des Hausverstands“ (S. 5) auch das rätselhafteste Rätsel. Denn alles hat doch eine ganz klare, offensichtliche, völlig unzweifelhafte Erklärung. Und was ihm auf seinen ausgedehnten Reisen durch die Alpenrepublik begegnet, hat es in sich: attackierende Eichkatzerl, katholische Schutzheilige, „die Burschen von der Jungen ÖVP“ (S. 11), oder die Geister der ewig Zweiten Hahnenkamm-Skirennfahrer, die immer noch wie die Teufel den Medaillen auf der Streif hinterherjagen – österreichische Heimsuchungen der Extraklasse. „Wau. Gänsehaut.“ (S. 59)

Austrofred, der sich als Autor, Musiker und österreichischer Freddie Mercury einen Namen gemacht hat, legt mit diesem Bericht über die unheimlichen Seiten seines Rockstarlebens bereits das siebte Buch vor. Nach der Autobiografie Alpenkönig und Menschenfreund (2006), in dem er seinen Werdegang vom oberösterreichischen Ministranten zum in Österreich weltberühmten Rockstar nachzeichnet, veröffentlichte er seine Tagebücher unter dem Titel Ich rechne noch in Schilling (2009), seinen ‚Briefwechsel‘ mit W.A. Mozart – Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben (2010), laut Verlag  „Werkstattgespräche auf allerhöchstem Niveau“ – oder ein Q&A-Band für seine Fans (Die fitten Jahre sind vorbei, 2021).

Und nun gibt Austrofred also zum Besten, was Land und Leute an Gruseligem und Wundersamen zu bieten haben. In lose miteinander verbundenen Episoden erzählt Austrofred von den „Momente[n], wo ich deutlich etwas Zwischendimensionales wahrnehme – etwas, das größer ist als der geistige Rahmen, in dem wir sonst im Alltag so herumdenken“ (S. 60).

Wie eine Art Austro-Sherlock Holmes erschnüffelt Austrofred dabei stets die Wahrheit, kombiniert und trumpft mit Wissen auf, befreit sich aus brenzligen Situationen. Sei es die Frage, warum die Eichhörnchen in Vorarlberg so rabiat sind oder warum man in Kitzbühel auf der Streif oft so ein Heulen hört – Austrofred ist stets zur Stelle und rettet mit seinem untrüglichen Gespür für Fakten den Tag: „Also, Tipp von mir: Wenn euch wer so was erzählt, immer Fakten checken!“ (S. 33)

Dabei strotzen die Geschichten vor aberwitzigen Einfällen und der Schalk blitzt nicht nur gelegentlich in den Augen des Erzählers auf, sondern macht es sich auf seinen Knien gemütlich wie eine anhängliche Hauskatze. Kein Kalauer ist zu aufgelegt, kein Witz zu tief, sprachliche Klischees sind für ihn Lacken, in denen man sich so richtig suhlen kann – was dabei herauskommt, ist so lustig, wie es erzählerisches Talent beweist.

Von Vorarlberg bis ins Burgenland, über Botschaften aus dem Jenseits vom Meister Freddy Mercury höchstpersönlich bis zu den Weissagungen des Mostviertler Weisen Mostradamus nimmt Austrofred die Leser:innen mit auf einen rasante Fahrt durch seinen Privatkosmos, ein Aufschneider mit einem Talent für Pointen. Dabei gelingt ihm ein höchst unterhaltsames Porträt der Skurrilitäten und Spleens, die in Austrofreds Gegenwart landauf, landab zum Vorschein kommen. Und obwohl er Österreich kennt wie seine Westentasche, wird er doch immer wieder überrascht: „Spätestens da hätte ich mir denken müssen, öha.“ (S. 111) Ein Gedanke, der auch seinen Leser:innen mehr als einmal kommt.

 

Johanna Lenhart, Studium der Germanistik und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Wien. 2017-2022 OeAD-Lektorin an der Ain-Shams-Universität Kairo, Ägypten, und an der Masaryk-Universität Brno, Tschechische Republik; 2022-2024 externe Lektorin an der Masaryk-Universität; seit 2023 beim Ars Electronica Festival im Projektmanagement im Bereich Demokratiebildung tätig; Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik. Forschungsschwerpunkte umfassen u. a. österreichische Literatur der Gegenwart, Comic sowie Genreliteratur und -film.

Austrofred Gänsehaut. Unerklärliche Phänomene erklärt
Wien: Czernin Verlag, 2024.
152 Seiten mit Fotogalerie, Klappenbroschur.
ISBN 978 -3-7076-0853-3.

Verlagsseite mit Informationen zu Buch und Autor

Homepage von Austrofred

Rezension vom 30.12.2024

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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