#Prosa

Fürchtet Euch nicht

Bruno Jaschke

// Rezension von Peter Landerl

24 Geschichten zu Weihnachten.

„Alle Jahre wieder“ kommt das Weihnachtsfest und alle Jahre wieder erscheinen Weihnachtsbücher. Oft sind es Anthologien, darin alte Erzählungen aus Urgroßvaters Zeiten, die ein besinnliches Weihnachten beschwören in Schnee, Eintracht und Liebe. „Gutmenschengeschichten“ könnte man sie nennen, wenn man bösartig und zynisch wäre.

Bruno Jaschkes Weihnachtsbuch, eigentlich ein Adventkalender, enthält es doch 24 Geschichten, hat damit nichts am Hut. Seine Geschichten könnte man als „Bösmenschengeschichten“ bezeichnen, deswegen sind sie aber keine klischeehaften Antiweihnachtsgeschichten, die man auch zur Genüge kennt -nein, dazu sind sie viel zu originell und zu -Verzeihung -verrückt. Das ist aber ausdrücklich als Lob zu verstehen. Fürchtet Euch nicht! Vor wem eigentlich? Dem Christkind oder seinem transatlantischen Kollegen Santa Claus, vor Krampus und Nikolaus oder überhaupt vor dem Fest des Friedens an sich, das nicht selten konfliktreich abläuft? Bei Jaschke muss man sich vor allen und allem fürchten.

In Geschichte Nummer 2 wird etwa noch harmlos beschrieben, wie man Weihnachten mit Katze und einigen Gläsern Grappa feiert, in Geschichte Nummer 6 aber geht es richtig zur Sache, wenn von einem kleinen Feuerteufel die Rede ist. Die Geschichte beginnt so: „Ich war etwa sechs Jahre alt, da beschloss ich, Christbäume anzuzünden. Ich meine, nicht die Kerzen, sondern tatsächlich die Bäume anzünden. Abfackeln.“ Unter dem Vorwand, dass seiner Mutter die Brösel zum Backen des Weihnachtskarpfens ausgegangen sind, schleicht er sich in die Nachbarwohnungen ein, wird freundlich begrüßt, geht aber ungeniert zum festlich geschmückten Christbaum und zündet ihn vor verdutzten Gesichtern an. Geschichte Nummer 7 trägt den fulminanten Titel „Der Truthahn soll hinein, aber die Martinigans will nicht hinaus“, was eigentlich schon die Kurzform der Geschichte ist und deshalb nicht nacherzählt zu werden braucht.

Ein Highlight ist Nummer 18. Ein Familienvater, Key Account Manager von Beruf, wünscht sich einen Revolver zu Weihnachten, eine Peacemaker, Kaliber 45, mit Sheriffstern auf dem Holzgriff. Nach schier endlosen Diskussionen mit seiner Frau setzt er seinen Wunsch durch, ist am 24. ungeduldiger als seine Kinder, packt seinen Revolver hastig aus, lädt ihn mit Platzpatronen, schreit „Yippee Aye!“, geht breitbeinig in die Knie, zielt auf seinen kleinen Sohn Willy, dreht den Revolver blitzschnell ein paar Mal um den Zeigefinger am Abzug und drückt zweimal ab. Ab diesem Zeitpunkt ist nichts mehr, wie es vorher war. Die Geschichte endet ohne Happy-End: „Fünf Jahre hielt man noch durch, wegen der Kinder, die sich zu einem Albtraum auf insgesamt vier Füßen entwickelten, dann ließ man sich scheiden. Gerne hätten wir etwas Positiveres berichtet.“

Jaschke gibt Tipps, was man „unkultivierten, satuierten Arschlöchern“ zu Weihnachten schenkt, er erzählt von sterbenden Engeln, von cholerischen Weihnachtsmännern, einem Hund, der durch sein Jaulen beim familiären Weihnachtssingen seine Herrln und Frauerln an den Rand einer Tragödie treibt. Oder er berichtet von einem Josef, der seine Maria am 8. Dezember geschwängert hat und von seinem Sohn Jesus Benedict tatsächlich erwartet, etwas Besonderes zu werden.

Jaschkes Weihnachtsgeschichten sind unterhaltsam und witzig. Sarkastisch, ironisch und böse erzählt er vom angeblich schönsten Fest im Jahr. Bei ihm gibt es keine Idylle, keine weißen sondern -wie soll man sagen -„schwarze“ Weihnachten. Kleine und große Katastrophen, die mit Witz und Boshaftigkeit geschmückt einen sehr lesenswerten Adventkalender abgeben. „Bleibt mir nur mehr, euch ein frohes, besinnliches Fest zu wünschen. Genießt den Weihnachtskarpfen! P.S: Mögt ihr alle an einer Gräte ersticken.“

Bruno Jaschke Fürchtet Euch nicht
Geschichten.
Illustrationen: Tamara Starl-Latour.
Aspach: Edition Innsalz, 2004.
123 S.; geb.
ISBN 3-900050-22-8.

Rezension vom 22.11.2004

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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