#Lyrik

für die fisch

jopa jotakin

// Rezension von Sophie Reyer

Dass Fische so stumm nicht sind wissen wir bereits seit Gertrude Maria Grosseggers Roman „So stumm sind die Fische nicht“ (Leykam 2006). Und tatsächlich: Auch Jopa Jotakins Meeresbewohner weisen eine große Affinität zur Sprache auf. Das mit Bildern von Andrea Knabl und Kala Haisee „gewürzte“ Buch ist in unprätentiös schlauem Sprachfluss gestaltet Und der Fluss ist auch ein wichtiges Strukturelement, das die Form des ganzen Bandes bestimmt.

Der 1986 „herbstgeborene“- wie er selbst in seiner Biographie im Anhang schreibt- Autor Jopa Jotakin nimmt sich in seinem Erstling „für die fisch“ des besonderen Tieres „Fisch“ an, dreht, wendet den Begriff sprachlich und inhaltlich, als Wort, als Metapher, interessiert sich aber auch für den Fisch als optischen Gegenstand und betrachtet ihn auf die unterschiedlichsten nur erdenklichen Arten. Das Einbeziehen der visuellen Ebene ist dabei nur ein Element, wenn auch ein Wesentliches: Sowohl Fotografien von Fischleichen und goldenen, kitschigen Fischtrophäen als auch grafische Arbeiten, die mit dem alten Emblem des Christentums spielen – da verschluckt eine Frau einen Fischschwanz, da wird einem Fisch die Haut abgezogen – bestimmen die Form des Buches. Aber auch die Lyrik des Autors ist zum Teil optisch gestaltet. So schwillt das O des Fisches zu einem riesigen Mund an, der das K, das P und das F des Wortes „kopf“ verschluckt, so wird der Abriss einer Fischform in einem Räucherlachs-Empfehlungsgedicht nachgeahmt. Auf einmal verwandeln sich auch die „>“- Zeichen in den Texten in eigenständige Lebewesen, lösen sich aus der Poesie heraus und flattern als Fischschwänze umher, die der Seitenzahl am unteren Ende der Seite angefügt werden, sodass die Zahl selbst aussieht wie ein umher schwimmendes Amphib. Grafisch spielt der Autor auch mit dem Format der Buchseite: demnach verlaufen manche Gedichte auf herkömmliche Art und Weise horizontal, andere vertikal, und wieder andere verstreuen sich wie unterschiedlich große Pünktchen auf die Seite, sodass die Buchform an sich hinterfragt und aufgebrochen wird.

Doch die visuelle Poesie ist nur eine Herangehensweise, mit der Jopa Jotakin in seinem Band spielt. Dass der junge Dichter die Techniken der Wiener Gruppe analysiert und verstanden hat, beweisen Gedichte wie „fischgeflyster, eukaryotisch“, die das Wort „goldfischgold“ nach seinen Materialitäten abklopfen und mit den Graphemen auf serielle Weise spielen. Die poetische Miniatur „forellenquintett“ nimmt sich hingegen der Form der Liste an: „meer/ bach/ see/ anatolisch/ regenbogen“ lesen wir hier und müssen vielleicht schmunzeln. Dieser Text ist aber nicht der einzige, der mit Anspielungen auf die Musikgeschichte „gezuckert“ ist: So nennt sich ein weiteres Gedicht koketter Weise „Fisch- Dur“.
Das formale Spektrum der in für die fisch aufzufindenden Texte reicht von Lautgedichten, die einzelne Elemente wie „pf“ oder „o“ aneinander stöpseln, über serielle Gebilde bis hin zu einem Mundartgedicht, das den danebenstehenden hochsprachlichen Text spiegelt.

Inhaltlich weisen die Arbeiten ebenfalls eine Vielfalt an Varianten auf: da wird auf den Fisch als Identifikationssymbol des Christentums angespielt, indem das Gaubensbekenntnis remixt wird, da kommt es zu musikgeschichtlichen Hinweisen und kulinarischen Einsprengseln.
Die Arbeiten sind außerdem nicht nur implizit politisch: Im zweiten Gedicht bereits spricht sich Jopa Jotakin gegen die Farbe blau aus, indem er auch gleich die Poesie an sich hinterfragt: „gibt es unpolitische gedichte?“ heißt es da, und die Forelle antwortet frisch, frech und keck: „mir egal, hauptsache nicht blau.“

Bis hin zum Verlagsnamen, der „edition ch“, die Jopa Jotakin kurzfristig in „edition fisch“ umbenennt, ist dieses Buch fast zwangsneurotisch in Richtung „Fisch“ hingebogen oder vielleicht auch eher -geflossen? Es bleibt dem jungen Autor zu wünschen, dass auch die nächsten Buchprojekte sich ähnlich stimmig und erfrischend – nicht nur erFISCHEND – lesen mögen! Ein Buch für die Verspielten, dass sich – um bei der Wassermetapher zu bleiben – „gewaschen“ hat.

jopa jotakin für die fisch
Gedichte.
mit bildern von andrea knabl und kala haisee.
Wien: edition ch, 2015.
78 S.; brosch.
ISBN 978-3-901015-63-2.

Rezension vom 05.11.2015

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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