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Frühstück in Helsinki

David Schalko

// Rezension von Christine Schranz

Bereits im Jahr 2001 schrieb David Schalko, der sich seinen Namen vor allem als Regisseur diverser Fernsehproduktionen wie etwa der Sendung ohne Namen machte, seinen Debütroman Frühstück in Helsinki. Nun, erst vier Jahre später, wurde das Buch veröffentlicht.

Frühstück in Helsinki spielt zwischen überall und nirgendwo, beschreibt den Kampf mit dem Alltag, den einer, der immer genau dort sein möchte, wo er gerade nicht ist, täglich zu führen hat. Ein Buch vom Erwachsenwerden, das, sofern man Glück hat, mit 30 endlich gelingt, vom Leben und Lieben, vom Fernweh und von Fantasiefreunden, die immer noch die allerbesten Ratschläge geben, von den dunklen Seiten Wiens und von der Suche nach einem Alltag, der ein bisschen mehr wie eine Fototapete und ein bisschen weniger enttäuschend ist.

Daniel lebt in Wien, einem Ort, von dem man aus Prinzip nur wegwollen kann: „Wien ist das Resonanzloch eines Landes, das aussieht wie eine Gitarre für Linkshänder. […] Wien ist wie eine Frau, die sich ohne Zutun erobern ließ. Der Trostpreis eines armseligen Tanzmarathons. Wien ist wie ein 0:0. Wie ein zu langes Gitarrensolo. Wie ein japanischer Gebrauchtwagen. Wie koffeinfreier Kaffee.“ (S. 97) Seit zehn Jahren irrt Daniel von einem Job zum nächsten und von einer Beziehung zur anderen. Nach acht Beziehungen, 14 Jobs und 36 Seitensprüngen landet er schließlich bei Lisa, Flugbegleiterin mit Kinderwunsch, und einer Sexkolumne, die er gemeinsam mit Exfreundin Bettina schreibt. Erst als er das Gefühl hat, es auch mit Lisa nicht mehr auszuhalten, gesteht er sich ein, dass er immer noch auf der Suche nach Nina ist – der Freundin seiner Jugend, die vor zehn Jahren sowohl ihn als auch das Land verlassen hat.

Jede Nacht stört ein läutendes Telefon – Symbol all seiner unbeantworteten Fragen – Daniels Träume, nie hebt jemand ab. Während Lisa einen Flug nach Tokio begleitet, macht sich Daniel auf die Suche nach Nina. Er folgt ihrer Spur erst nach London, dann nach Amsterdam, wo er ihr mitsamt Sohn Daniel und Ehemann Frederick schließlich gegenübersteht. Nachdem er zehn Jahre lang bei Nina angerufen hat, zwingt er sie nun endlich, abzuheben.

Die Reise in die Zukunft ist zugleich eine Reise in die Vergangenheit, auf der ihm nun endlich auch die Ausgangspunkte seiner Unruhe gegenüberstehen – erst Thomas, ehemaliger Freund des jungen Pärchens, dann Nina selbst. Daniel schläft mit Nina, um sich über seine Gefühle klar zu werden, findet Frederick überraschend sympathisch und erfährt schließlich, dass der kleine Daniel sein eigener Sohn ist.

Das Telefon hat aufgehört zu läuten, alle offenen Fragen sind geklärt. Daniel kehrt zurück nach Wien und holt Lisa nach langem wieder vom Flughafen ab, bereit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und endlich mit dem eigenen Leben zu beginnen. „Mein Blick fällt auf die Abflugtafel. Weg! Um noch ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. […] 10.55 Uhr, Helsinki. Ein spätes Frühstück ginge sich noch aus.“ (S. 212)

Frühstück in Helsinki ist, wie bereits der Titel andeutet, ein Unterhaltungsroman für zwischendurch, ein Buch, bewusst oberflächlich gehalten, mit dem sich die Wartezeit auf den Abflug verkürzen lässt. Amüsant nicht nur als Wien-Satire, sondern auch durch unzählige kleine Absätze, bei deren Lektüre sich das Lachen kaum unterdrücken lässt: Die billigere Alternative für alle, die selbst gerade keinen Flug zur Flucht aus Wien gebucht haben.

Frühstück in Helsinki.
Roman.
Wien: Czernin, 2006.
213 Seiten, gebunden.
ISBN 3-7076-0204-4.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 17.10.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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