Joachim Perinet steht für Peter Branscombe am Beginn des Booms in dem Genre der Parodie um 1800, als die Spielpläne der Theater der Außenbezirke von mythologischen Karikaturen, Parodien der Rettungs- und Geisterstücke und von Parodien klassischer Dramen überquollen. Es gab auch zahlreiche Persiflagen berühmter künstlerischer Persönlichkeiten und dieses Genre erfuhr – wie Robert Vilain zeigt – nach den ersten Publikumserfolgen Richard Wagners eine Art Renaissance. Vilain zeigt anschaulich, wie sich diese Parodien im Zeitraum von 1857 bis 1917 allmählich verschärften. Anfänglich konzentrierten sie sich auf den Wagnerschen Aufführungsstil, bezogen dann auch die Person Wagners, seine Ästhetik und seine Sprache ein, gingen aber im Vergleich zu später mit dem ja auch in Wien gefeierten Meister aus Bayreuth eher milde um. Erst der zunehmende Antisemitismus – und zwar, interessanterweise, weniger der Wagners als mehr der seiner Anhänger – stimulierte jene Werke, die Vilain als „ernstzunehmende Parodien“ wertet und die Wagner und sein Werk in das Feld des Lächerlichen rücken.
Der Fall Wagner zeigt, wie stark auch die Frage, was als „komisch“ gewertet wird, zeitgeistig beantwortet wird. Die explizite Frage nach einem möglichen Konformismus des Komischen und die nach dessen Grenze steht auch im Zentrum von Osman Durranis Auseinandersetzung mit Helmut Qualtinger. Durrani greift Sigurd Paul Scheichls Vorwurf auf, Qualtinger hätte – ungeachtet, ja gerade wegen der Figur des Herrn Karl – den gesellschaftlichen Grundkonsens letztlich fixiert. Den relativ geringen Erfolg von Qualtingers Spätwerk erklärt er sich aus der zweitrangigen Rolle der Politik in Qualtingers Überlegungen – die Feststellung Wolfgang Greiseneggers, das Kabarett der Ersten Republik sei um einiges schärfer gewesen als das der Zweiten, wird hier wieder einmal bestätigt. Die Frage, ob das Politische als Bewertungskriterium nicht überstrapaziert wird, bleibt allerdings strittig: Stefan Aichhorn wendet sich etwa in seinen Überlegungen zu Jura Soyfers „Vineta“ gegen die Dominanz des Politischen bei der Bewertung von Stücken aus der Ersten Republik – der Zusammenhang zwischen Soyfer und der Avantgarde bleibe gerade wegen dieses traditionellen Interpretationsrahmens unterbelichtet. Auch Janet Stewart stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Alfred Polgars und Egon Friedells Texte für das Kabarett als prinzipiell politische bezeichnet werden können – sie schlägt uns vor, Wittgensteins Idee von den „Sprachspielen“ als analytischen Zugang zu diesen Beiträgen zu verwenden. Dass man allerdings bei dieser über mehrere Autoren hinreichenden Diskussion die Frage der Zensur nicht vergessen dürfe, zeigt Gilbert Carr in seiner Darstellung des Verbotes von Otto Stoessls und Robert Scheus „Waare“.
Mehrere Beiträge zeigen den Zusammenhang zwischen aktuellen zeitgeistigen Strömungen und Theaterstücken: Emma E. Smith positioniert Schönherrs „Weibsteufel“ in der Kulturkrise der letzten Jahrhundertwende, Yates zeigt, dass die Konjunktur des Einakters in jener Zeit im engen Zusammenhang mit der Strömung des Impressionismus und der Idee der Fragmentierung der Empfindungswelt steht und Stefan Krammer zieht eine Parallele zwischen dem Schweigen um den Nationalsozialismus und dem den Skandal begünstigenden „Verschweigen“ des Textes von „Heldenplatz“ durch die Burgtheaterdirektion bis zur Premiere. Interessant ist seine Deutung, dass der überlebende Professor Schuster sich allmählich in seinen toten Bruder verwandle. Eine zeitgeistige Strömung ortet Allyson Fiddler auch in ihrem Beitrag zu Elfriede Jelineks „Sportstück“: die schon länger laufende Auseinandersetzung der Autorin mit dem Sport und den Zusammenhang zwischen tragenden Elementen der „Sportideologie“ – dem Zusammengehörigkeitsgefühl und der Begeisterung für den „gesunden, starken Körper“ – und dem Faschismus. Die Anspielungen auf Jörg Haider sind vertraut, interessant sind die Referenzautoren, die Fiddler heranzieht: James Curtis hat in seiner Auseinandersetzung mit der hochgelobten Zivilisationstheorie Norbert Elias‘, die eben auch dem Sport eine zivilisierende Wirkung zugeschrieben hat, darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Analogien zwischen Sport und Krieg gibt, die nur deswegen unsichtbar bleiben, weil wir gewohnt sind, den zeitgenössischen Sport mit historischen Kriegen zu vergleichen. Es passt zu dieser Überlegung, dass Jelinek selbst am Ende des Stückes Herbert Jäger, dem Verfasser der Studie „Makrokriminalität – Studien zur kollektiven Gewalt“ Dank ausspricht.
Wie bei Tagungsbänden oft der Fall, ist der Band thematisch sehr heterogen, enthält aber zahlreiche Beiträge, die das Verständnis der Wiener Theatergeschichte fördern können und von denen hier nur einige kursorisch vorgestellt wurden.