#Sachbuch

Fritz Lehner. Filme

Sylvia Szely (Hg.)

// Rezension von Arno Rußegger

Dem österreichischen Film wird nach vielversprechenden Anfängen, manch zwischenzeitigem Höhenflug und vielen fatalen, nachhaltigen Abstürzen in der Vergangenheit seit ein paar Jahren wieder nachgesagt, noch lebendig zu sein. Einen gewichtigen Hinweis dafür, dass es sich dabei tatsächlich nicht bloß um ein Gerücht handelt, sondern sowohl die Filmproduktion als auch ihre wissenschaftliche Reflexion neue Impulse erhalten, stellt ein von Sylvia Szely herausgegebener Band über den Regisseur und Drehbuchautor Fritz Lehner (geb. 1948) dar. Auf dessen Konto gehen immerhin Fernsehspielklassiker wie „Schöne Tage“ (1981), die Trilogien „Das Dorf an der Grenze“ (1979-1983) und „Mit meinen heißen Tränen“ (1986) sowie zuletzt der Kinospielfilm „Jedermanns Fest“ (1996/2002).

Das Buch vereinigt Beiträge von einigen der interessantesten Vertretern und Propagandisten der heimischen Filmbranche, von Christian Cargnelli, Birgit Flos und Stefan Grissemann bis zu Bert Rebhandl und Constantin Wulff. Aufgrund ihrer unterschiedlichen, dezidiert subjektive Einschätzungen nicht scheuenden Zugangsweisen gelingt es ihnen, ein schillerndes Bild eines Künstlers zu entwerfen, der sich im Verlauf seiner mittlerweile drei Jahrzehnte umfassenden Karriere um Quantität, Moden oder die unmittelbare Gunst des breiten Publikums nicht gekümmert hat. Das aber hat der Anerkennung und dem Erfolg, die sich eingestellt haben, keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Trotz mitunter lange dauernder Absenzen vom Marktgetriebe gilt Fritz Lehner heute zu Recht als ein international profilierter Filmschaffender, der mit einem guten Dutzend von Werken eine der eigenwilligsten Spuren durch die Kulturgeschichte von TV und Kino gelegt hat.

Verfolgt man sie etwas genauer, wird deutlich, dass konventionelle Kategorien (wie entweder Abbild, Realitätsbezug, Authentizität oder Experiment, Innovation, Abstraktion, Improvisation) nur bedingt tauglich sind zur Beschreibung von Lehners Praxis im Umgang mit bewegten Bildern und Tönen. Es ist eine überaus anregende Lektüre, den differenzierten Erörterungen eines Vrääth Öhner zu folgen, inwiefern Lehner etwa mit stilistischen Positionen des italienischen Neorealismus oder Theorien von André Bazin vergleichbar ist, während andere Autorinnen und Autoren immer wieder auf die Studio-artige Machtposition der ORF-Abteilung Fernsehspiel (unter Gerald Szyszkowitz) in den Siebziger- und Achtzigerjahren und die Auswirkungen dieser Situation auf die Filmproduktion eingehen. Anhand des Werdegangs und der Karriere von Fritz Lehner erfährt man viel Wissenswertes von grundlegender Bedeutung für das Thema Film, da sich immer wieder überraschende Momente der Zusammenschau mit internationalen Entwicklungen ergeben, ohne den Blick für nationale Besonderheiten und spezielle Produktionsbedingungen zu verlieren. Besonders einsichtig wird dabei, wie untrennbar eine sensible Bedachtnahme auf ästhetische Gestaltungen mit der politischen Dimension der Medien Film und Fernsehen verknüpft ist. (Man studiere unter diesem Gesichtspunkt vor allem Stefan Grissemanns Ausführungen zur legendären „Docu-fiction“ „Das Dorf an der Grenze“! S. 52)

Nur selten schleichen sich gewisse Ungenauigkeiten in das Buch, allerdings nicht wenn von Fritz Lehner die Rede ist, sondern beispielsweise von Michael Kehlmann. So liegen Heide Koubas Informationen, dessen Verfilmung von Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ stamme aus dem Jahr 1968 und habe „einhellige Begeisterung bei Publikum und Kritik“ (S. 18) gefunden, schlicht falsch. Doch solch schlampige Recherchen bilden die Ausnahme und werden mehr als wettgemacht durch bemerkenswerte Aussagen, zu denen Claus Philipp und die Herausgeberin Fritz Lehner in einem Interview verleitet haben, oder durch umfangreiche Drehbuchauszüge aus „Jedermanns Fest“ und „I, Frederick“ sowie eine übersichtliche Filmografie.

Sylvia Szely (Hg.) Fritz Lehner. Filme
Wien: Sonderzahl, 2002.
255 S.; brosch.
ISBN 3 85449 189.

Rezension vom 02.06.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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