#Sachbuch

Frauen verstehen keinen Spaß

Daniela Strigl (Hg.)

// Rezension von Thomas Rothschild

Der neunte Band der „Profile. Magazin des Österreichischen Literaturarchivs“ steht ganz im Zeichen der Frauen, genauer gesagt: im Zeichen der Frauen und ihrer Beziehung zum Humor, die nach Ansicht vieler (Männer) ja eine nichtexistente sein soll. Frauen verstehen keinen Spaß, und nicht bloß die Frauenbewegung wird einer humorlosen Verbissenheit verdächtigt, sondern das ganze weibliche Geschlecht und mit ihm das, was Schriftstellerinnen schreiben.

In den ausschließlich von Frauen verfassten Beiträgen versuchen die Autorinnen diesem Vorurteil zu begegnen – ob da nun wirklich etwas Wahres dran ist oder der weibliche Witz einfach nicht wahrgenommen wird. Daß weiblicher Humor nicht nur – wie bei Elke Brüns im ersten Beitrag witzig dargestellt – in der Art eines „Revanchefouls“ gegen die misogyne männliche Witzkultur um Wahrnehmung ringen muß, zeigen beispielsweise Herta Müllers Textcollagen „Dir piepst im Kopf die Phantasie“ und die großartig komischen Palindrome Brigitta Falkners.

Die literaturwissenschaftlichen Essays befassen sich u. a. mit dem neuen deutschen Unterhaltungsroman und dem Frauenkrimi, der Entwicklung der feministischen Diskussion in den vergangenen 25 Jahren und der Situation des Mauerblümchendaseins von Frauen innerhalb männlich dominierter Organisationsstrukturen des Literaturbetriebs. Gerade in den ersten Nachkriegsjahrzehnten lag die Förderung junger Autoren in der Hand geschäftiger Mentoren wie Hermann Hakel und Hans Weigel und deren Publikationsforen. In dieser abgegrenzten literarischen Landschaft sollten Mauerblümchen besonders gut gedeihen. Christine Schmidjell verweist in ihrem Beitrag im besonderen auf Erika Hanel, die „vermutlich eine der besten Kennerinnen der Mechanismen des Literaturbetriebs der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte und Sachverwalterin seiner umtriebigen Geschäftigkeit“ war (S. 79). Von der Gründungsphase an in grundlegende Strategien des P.E.N.-Clubs eingebunden, mußte Hanel vermutlich nicht nur gesundes Selbstbewusstsein, sondern auch eine gehörige Portion Humor aufbringen. Der fundierte wissenschaftlich-essayistische Teil bietet insgesamt einen interessanten Einblick in den weiblichen Humor und spannt einen Bogen von Elfriede Gerstls „Logenplatz“ in der „Wiener Gruppe“ über Dorothea Zeemanns „Wiener Lust“ bis zur (scheinbaren) „Weiberfeindin“ Patricia Highsmith. In ihren Texten zu Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer fordern Christa Gürtler und Daniela Strigl geradezu eine neue Lesart der nicht als besonders humorvoll geltenden Werke der Schriftstellerinnen ein und verweisen auf deren spielerische Selbstironie und manchmal nicht leicht zu dechiffrierende Komik. „Es scheint“, schreibt Gürtler, „daß erst seit dem Erscheinen des ‚Todesarten-Projekts‘ die Ironie und Komik in Ingeborg Bachmanns Prosa verstärkt wahrgenommen wird. Vielleicht liegt es daran, daß die Komik in Ingeborg Bachmanns Prosa bestimmt ist von einem heftigen Zusammenprall von Ironie und Pathos“ (S. 100). So wird beispielsweise in „Malina“ „in den Dialogen zwischen Ivan und Ich bzw. in den Telefonsätzen und in den Dialogen zwischen Ich und Malina das Pathos der tragischen Liebesgeschichte und der Geschlechterdifferenzen ständig ironisch gebrochen“ (S. 100f). Hierbei kommt vor allem dem Lachen große Bedeutung zu; Lachen hat in Malina und in den anderen Todesarten-Fragmenten immer eine befreiende Wirkung für die Frauenfiguren. Auch Marlen Haushofer verstand es, bösartig-liebevoll zu sein. „Die Mansarde“ z. B. enthält drei bissige satirische Miniaturen: „über eine alte Baronin, der die Erzählerin monatlich ihre Aufwartung macht und die ’so wohlig in ihrem Haß‘ dünstet, daß sie kaum heizen muß; über eine reizende junge Friseurin, die nur schickliche Dinge sagt und in die die Erzählerin ‚ein bißchen verliebt‘ ist; und über ‚die alte Dame‘, ein Musterbild bürgerlicher Perfektion.“ Diese Karikaturen „gehören zum Witzigsten und Boshaftesten, was Haushofer geschrieben hat“, urteilt Strigl, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß „Die Mansarde“ alles andere als ein heiteres, „aber doch zweifellos ein witziges Buch“ sei (S. 124f). „Dennoch schienen bei einem Haushofer-Kongreß im Jahre 1999 die meisten (deutschen) Interpretinnen ehrlich verblüfft von dem Ansinnen, der Autorin, namentlich ihrem letzten Buch, sei Humor zu attestieren“ (S. 125f).

Weibliche „Witzkultur“ hat aber auch ihre Grenzen. Zumindest lassen einige absolut witz- und ironiefreien Antworten auf die Umfrage unter Autorinnen zum (wohl nicht todernst gemeinten) Thema „Verstehen Frauen Spaß?“ darauf schließen. Es gibt eben auch Momente, wo frau das Lachen sichtlich vergeht. „Warum es Frauen oft schwerfällt, über die sogenannten Späße ihrer Männer zu lachen“, betont Eva Menasse, „braucht man wirklich nicht zu wiederholen, ein Blick in dreitausend Jahre Frauengeschichte genügt – und das Lachen vergeht einem blitzartig“ (S. 229). Ihr erscheint jedoch, als hätten Frauen in ihrem Kampf um alle anderen Rechte völlig darauf vergessen, sich auch einen eigenen Humor zu erobern, denn „Ironie bedeutet Freiheit, gedankliche Unabhängigkeit, und sie ist eine elegante Waffe. Wer keinen Spaß versteht, ist seiner selbst nicht sicher. Wer aber lachen kann, wird nicht leicht zum Opfer“ (S. 229).

Wem angesichts dieses Bandes sein Humor abhanden kommt, ist selber schuld. Der bekannte Literaturwissenschafter Thomas Rothschild verstieg sich in Kolik Nummer 19, weil ein von ihm angebotener Beitrag zu diesem Band mit dem Hinweis, daß ausschließlich Frauen über Frauen schreiben würden, abgelehnt wurde, (sichtlich gekränkt) zu folgenden fahrlässigen Aussagen: „Von der Weigerung aller Regierungsparteien von 1945, in den Juden besondere Opfer des Nationalsozialismus zu sehen, bis zu der unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Juden durch ein Literaturarchiv im Jahre 2002 führt ein direkter Weg. Die Ausgrenzer geben einander die Türschnalle in die Hand, die Juden bleiben ausgegrenzt“. In der darauffolgenden Ausgabe zeigte sich der Philosoph Alfred Pfabigan verständnislos angesichts solcher Äußerungen „rund um eine Publikation des Österreichischen Literaturarchivs, deren Auflage möglicherweise nicht höher ist als die einer Zeitschrift des Schafzüchter-Verbandes“. Immerhin erreichte der Profile-Band 1, „Der literarische Einfall“, eine Auflage von ein paar Tausend Stück und ist derzeit wieder vergriffen.

Animositäten hin, Schafzüchter her, zusammen mit den literarischen Originalbeiträgen, Essays namhafter BeiträgerInnen, Statements von Schriftstellerinnen und Schriftstellern sowie in bester Qualität reproduziertem Archivmaterial schafft die Reihe Profile einen lebendigen Zugang zu AutorInnen und zu Phänomenen literarischen Schreibens – mit dem aktuellen Band beweist sie sogar Sinn für Humor.

To whom it may concern
Woher will Alfred Pfabigan (in der Rezension von Michael Scharang) wissen, dass Michael Scharang mich gründlich enttäuschthabe? Woher will er wissen, dass mir bei einem Gedanken nicht wirklich wohlsei? Woher will Michael Hansel (in der Rezension von „Frauen verstehen keinen Spaß“) wissen, aus welchem Grund ich Aussagen gemacht habe? Woran sieht er, dass ich, wie er genau zu wissen meint, gekränkt sei? Womit hat er meine angeblich fahrlässigen ,jedenfalls aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen widerlegt? Warum lässt die Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur zu, dass Rezensenten ihre Plattform verwenden, um Privatkriege zu führen, von denen der Angegriffene nur durch Zufall erfährt? Alle zitierten Behauptungen sind nachweislich falsch. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Reaktion ins Netz stellen, damit Ihre Nutzer wissen, wie es um die Neutralität des Dokumentationszentrums bestellt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Rothschild

Lieber Heinz Lunzer,
dass Hansel die Publikation einer Institution rezensiert, bei der er, wie ich erst jetzt erfuhr, angestellt ist, und die Rezension benützt, um einen vermeintlichen Gegner seiner unmittelbaren Kollegen zu attackieren, gibt der Sache eine pikante Dimension, die ich nicht für mich behalten möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Rothschild

Ich bitte Sie um eine Reaktion. Ich habe nicht die Absicht, mir solche unfairen Angriffe widerspruchslos gefallen zu lassen. Ich nehme an, dass Sie dafür Verständnis haben und in meiner Lage nicht anders verführen. Um eins klarzustellen: natürlich bin ich dafür, dass jeder – unabhängige! – Rezensent unzensiert schreiben darf, was er für richtig hält. Aber wenn Hansel meine Aussagen fahrlässig als fahrlässig qualifiziert, so soll er das belegen. Etwa damit, dass es ebenso normal wäre, wenn eine Forschungsstelle für Frauenliteratur ausschließlich mit Männern besetzt wäre, wie es offenbar widerspruchslos hingenommen wird, dass in der Klagenfurter Forschungsstelle für jüdische Literatur kein einziger Jude mitarbeitet. Wenn er das nicht belegen kann – worin läge die Fahrlässigkeit meiner Behauptung, dass die Ausgrenzung von Juden anders wahrgenommen wird als die Ausgrenzung von Frauen? Und was Pfabigan angeht, so ist Scharang selbst kein schlechter Zeuge. Er hat sich in kolik 21 zu Pfabigan und zu mir geäußert. Ich bitte Sie also, ohne es persönlich zu nehmen, um Verständnis dafür, dass ich mir nicht jeden Schmutz gefallen lassen kann. Sie kann ich nur fragen, warum Sie ausgerechnet einen Mitarbeiter der Nationalbibliothek eine Publikation derselben zur Rezension geben und ausgerechnet einem ausgewiesenen Befürworter der gegenwärtigen Regierung ein Buch über Scharang. Prompt muss Scharang da zu einem Morak-Freund hochstilisiert werden. Halten Sie das für qualifiziert? Das kann ich mir einfach nicht denken.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Rothschild
15.03.2003

Sehr geehrter Herr Lunzer,
ich ersuche Sie um Veröffentlichung folgender Richtigstellung:

Ich bin weder Angestellter der Österreichischen Nationalbibliothek noch des Österreichischen Literaturarchivs. Aus dem Dienst der Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek schied ich mit Ende 2002 aus. Als Sachbearbeiter des Forschungsprojekts George Saiko: Nachlaß – Werk – Wirkung bin ich Angestellter beim Projektleiter Univ. Prof. Wendelin Schmidt-Dengler/Institut für Germanistik der Universität Wien. Das Österreichische Literaturarchiv wird als Forschungsstandort angegeben, weil sich dort der Nachlaß des Autors befindet.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Hansel
28.03.2003

Daniela Strigl (Hg.) Frauen verstehen keinen Spaß
Profile. Magazin des Österreichischen Literaturarchivs. 9.
Wien: Zsolnay, 2002.
250 S.; brosch.
ISBN 3-552-05207-0.

Rezension vom 01.02.2003

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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