Die „Dialoge, Quadrologe und Sexologe“ bestehen aus einem Dialog zweier Stimmen, die sich mit verschiedensten Themen auseinandersetzen und dabei vom Arztberuf bis zur Ehe fast alles, was dem Durchschnittsbürger lieb und teuer ist, ad absurdum führen. Die beiden Stimmen fallen einander ins Wort, reden aneinander vorbei und (ver)wechseln ihre Identitäten. Manchmal ist Otto Elvira, manchmal weigert er sich, seinen Namen zu verraten; einmal ist er Arzt, dann Attrappeur, Aufdieuhrschauer, Augenblickler, Augenhineinschauer, Ausgreifungsorganisator, Auslösungsverhinderer oder Außeratembringer: „Als Augenblickler sollte ich einmal pro Tag im Hier und Jetzt leben. Ein schwieriges Hobby!“ Weitaus leichter ist der Job des Ausgreifungsorganisators. Ein Ausgreifungsorganisator wird in Heimen eingesetzt und auf Schullandwochen. Er regelt die sexuelle Hackordnung unter Jugendlichen.“ (S. 167) Als Österreicher müssen alle Berufe der beiden Sprechenden mit A beginnen – A wie Austria. Wären sie aus Belgien, erklären die Stimmen, müssten ihre Berufe mit B anfangen; sie würden dann etwa Bulgarienimitator oder Binsenweisheitler lauten.
Ein guter Österreicher muss natürlich auch in der Gottesfrage an etwas glauben, das mit A beginnt – an einen Affen. Der Gott, den Kratzl erfindet, ist ein „heiliges Stoffäffchen“ und taucht im Gespräch der beiden Stimmen immer wieder auf, wird Hoffnungsträger und Zielscheibe für Lästerungen. Danach wird die Beschäftigung mit der österreichischen Seele mit den einzelnen Bundesländern fortgesetzt. Die Einwohner aller österreichischen Bundesländer, sowie auch die Bayern und Südtiroler, lernt der Leser, haben ein hartes Los zu tragen: Es sei schlimm, kaum erträglich, Einwohner eines österreichischen Bundeslandes zu sein und jemandem zuhören zu müssen. Die einzige Ausnahme stelle der Burgenländer dar: „Er ist froh, nichts sagen zu müssen. Weitaus froher als über seine burgenländische Herkunft. Den Burgenländern fehlt der Stolz.“ (S. 60)
Neben der Religions- und Identitätsfrage, die beide als nichtig und lächerlich entlarvt werden, widmet sich Fleichfisch sehr intensiv den Sprichwörtern und Floskeln, die wir täglich verwenden, ohne uns noch an ihre ursprüngliche Bedeutung erinnern zu können. Aussprüche werden zitiert, bis zur Bedeutungslosigkeit zerpflückt und durch neue ersetzt: „Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geworden und wir wären von deinen Weisheiten nicht belästigt worden.“ (S. 127), „Eines nur ist Glück auf Erden: täglich, stündlich die Beschwerden.“ (S. 141), „Grüß den Tag! Und guten Gott! Guten Affen!“ (S. 143). Leere Phrasen („Die Liebe wird uns an das Ziel führen.“ / S. 57) stehen neben kreativen Neuschöpfungen („Welche Geräusche macht das Gras bei Windstille, wenn ein Traktor vorbeifährt?“ / S. 52). Diese zeigen ein weiteres Thema, mit dem sich Fleischfisch intensiv beschäftigt: Die existentiellen Fragen, auf die der Mensch seit Urzeiten Antworten zu finden sucht. Im Kapitel „Die Welt ist mir wurscht“ werden die drei „Trara-Fragen“, die wichtigsten aller Fragen, gestellt: Was ist Leben? Was ist Kunst? Gibt es Fragen? Die erste Frage wird nicht beantwortet. Die Antwort, die der Leser auf die zweite erhält, lautet: „Kunst ist, wenn man eine Heiligenstatue ist und zu weinen anfängt!“ (S. 83), während die dritte klar verneint wird: „Natürlich gibt es keine Fragen.“ (S. 82).
Fleischfisch ist vor allem eines: Eine Zitatenfundgrube, die all die Antworten liefert, nach denen der Leser nie gefragt hat. Es ist ein Werk in feinster Kratzl-Manier, dennoch schließt der Leser das Buch weder klüger als vor der Lektüre noch sonderlich gut unterhalten. Karl Ferdinand Kratzls Werke brauchen eine Bühne und seine ganz eigene Stimme, um ihre Wirkung zu entfalten. Dieselbe Stimme zwischen zwei Buchdeckel gepresst mag zwar für manches Schmunzeln, nicht aber für ein befriedigendes Leseerlebnis gut sein.