Hans Augustin spannt den Bogen seiner Psychodramen quer über die Kontinente. Er vermag die Leserschaft in exotische Gefilde zu entführen, wo unaufdringliches Lokalkolorit gepaart mit packendem Gestus rasche Versenkung in die Handlung garantiert.
In Die Schwarze Witwe besucht eine Tschetschenin ihren Mann im Leichenschauhaus, um daraufhin zur Selbstmordattentäterin zu werden.
Auf der Intensivstation träumt ein Mann von einer rätselhaften Begegnung mit einer Fremden anlässlich einer Bahnfahrt durch Italien.
Der Vater von Timothy McVeigh, dem Attentäter von Oklahoma City, lässt die Biografie seines Sohnes Revue passieren, um zu begreifen, warum dieser in der Todeszelle gelandet ist.
Es sind apokalyptische Texte à la Houellebecq, in denen von BSE, den großen Krisenherden der Welt, zerrütteten Familien, Workoholics, Haushaltsmanagerinnen und Mönchen die Rede ist. Endzeitstimmung suggerieren Hans Augustins Erzählungen, die bisweilen wie Pamphlete gegen die neoliberale Gesellschaftsordnung anmuten. Zwar fühlt man sich schnell heimisch in den geschickt konstruierten Geschichten, doch lässt ihr Moralismus à la longue Widerwillen aufkommen. Vor allem dort, wo zivilisationskritische Reiz- und Schlagwörter allzu dicht auf uns einstürmen. Wenn mit derlei Versatzstücken leichthin gearbeitet wird, gerät ein fraglos brisantes Thema zum trivialen Rundumschlag (siehe etwa die Erzählung „Frauenleben“).
Das ist schade, weil Hans Augustin sein Handwerk versteht. Er hat gut recherchiert, schafft überraschende Wendungen und trifft mit kafkaesker Schärfe das Lebensgefühl von Menschen inmitten epochaler historischer Umwälzungen.
Ein Riss in der Erde, der sich in der gleichnamigen Erzählung während eines Picknicks auftut, verweist insofern nicht nur auf eine brüchig gewordene Beziehung, sondern auch auf die Bedrohung einer immer undurchschaubarer gewordenen Lebenswelt, der, sollten alle Beschwörungsversuche versagen, wenigstens die Kunst Paroli zu bieten vermag. Den Eintritt eines besessenen Museumsbesuchers in die Kleinräumigkeit einer französischen Landschaftsmalerei dürfen wir als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen: Wer Fayum betritt, begibt sich für ein paar Stunden in einen literarischen Kosmos, der unserem eigenen mitunter auf furchtbare Weise ähnelt.