#Roman

Fair play oder Es kommt nicht zum Krieg

Rudolf Frank

// Rezension von Beatrix Stuber

Mit Fair play von Rudolf Frank (1886-1962) legt der Aufbau-Verlag einen Roman vor, der 1938 vorwiegend in des Autors Schweizer Exil in Zürich geschrieben worden ist. Wie in dem von Wolfgang Trampe verfaßten Nachwort zu lesen ist, hat Frank sich mit Fair play an einem literarischen Wettbewerb der „American Guild for German Cultural Freedom“ beteiligt. Ausgeschrieben wurde er „für das beste freiheitliche Buch in deutscher Sprache“ (S. 346). Die Preisrichter, darunter Thomas Mann, Bruno Frank und Lion Feuchtwanger vergaben Rudolf Frank den zweiten Preis.

Die Auszeichnung durch hochkarätige „Exilautoren“ löst auch heute noch einiges an Erwartungen an den Roman aus. Das Urteil kann insofern nachvollzogen werden, als mit Fair play ein nahezu „klassischer“ Exilroman niedergeschrieben worden ist. Der aktuelle Zeitbezug, die authentisch geschilderten dreißiger Jahre im Österreich der letzten Monate vor Hitlers Einmarsch sowie die eindringliche Beschreibung des Exilerlebnisses durch den Protagonisten Konrad Hiller mußte einer Jury positiv auffallen, deren Mitglieder Ähnliches selbst erlebt und literarisch verarbeitet hatten.

Der Plot bewegt sich um die durch den Faschismus evozierten harten Lebens- und Arbeitsbedingungen mehrerer künstlerischer Existenzen kurz vor Zusammenbruch der Schuschnigg-Ära. Lili von Crailing, aus einer ins Bedeutungslose abgesunkenen adligen Wiener Familie stammend, ist erklärte Sozialistin und leidenschaftliche Schauspielerin. In Berlin begegnet sie Konrad Hiller, einem deutschen Staatsbürger und kampflustigen Theatermann. In Hillers Geschichte sind manche Lebensstationen Rudolf Franks eingebaut, so sein Engagement als Theaterregisseur in Wien während seiner ersten Exiljahre und seine Flucht in die Schweiz im Frühling 1938. Für beide Protagonisten wird die Lage in Nazi-Deutschland 1936 so kritisch, daß sie – getrennten Weges – nach Wien flüchten. Dort treffen sie sich zufällig wieder. Aus dem Nichts bauen sie eine Theatergruppe auf, die vorhat, Brecht, Nestroy und Hauptmann zu spielen. Bald verbindet die beiden mehr als die gemeinsame leidenschaftliche Liebe zum politischen Arbeiter-Theater. Sie werden ein Liebespaar.
Die geschilderten Liebesszenen wirken aber häufig kolportagehaft. Lili und Konrad „sinken sich“ nicht selten „in die Arme, können nicht mehr reden und nicht so viel küssen, wie nötig ist, sie halten sich in den Haaren, […] er küßt die sommerlich bloßen Arme, Mund, Augen, Hals, sie […] vergessen die Welt…“ (S. 213f.) Nicht von ungefähr stellt sich in solchen Lese-Augenblicken das Bild eines Arztromans unwillkürlich ein, war Frank doch erfolgreicher Autor von Unterhaltungsromanen.

Die Begegnung von Hitler und Schuschnigg auf dem Obersalzberg wiederum wird in Form der Groteske wiedergegeben, eine Methode, der man in der Exilliteratur nicht selten begegnet (z. B. bei Bert Brecht oder Heinrich Mann). Der Groteske gesellt sich das Pathos als prägendes Stilmerkmal Franks hinzu, mit dem er die Unerhörtheit der Geschehnisse zu dokumentieren versucht. Am 12. März 1938 warten die „Arbeitslosen, Schauspieler und Handarbeiter […] auf das Urteil des deutschen Blutgerichts. […] Es schluchzen die Geigen. Das Volk der Geiger weint in die Welt.- Das Tausendjährige geht zugrund.“ (S. 319f.) Nur über solch drastische Bildsprache scheint die Ungeheuerlichkeit vermittelbar zu sein. Auch diesbezüglich ist Frank in bester Gesellschaft innerhalb der Exilliteratur.

Sich gegen die Exilsituation auflehnend, nähren die Hauptfiguren ihre Hoffnung auf eine kommende freie Gesellschaft aus dem sozialistischen Gedankengut. Klaus, der Sohn von Konrad Hiller, wird zum Träger dieser Hoffnung stilisiert: „Der Jugend wird einmal ein Licht aufgehen und Klaus wird helfen, es anzuzünden.“ (S. 253). Die optimistische Zukunftsperspektive und der Glaube an die Verwirklichung der sozialistischen Ideen – inhaltlicher Angelpunkt in Franks Roman – gilt als ein strukturierendes Merkmal des sozialistischen Realismus, der in den dreißiger Jahren unter der Ägide von J. R. Becher und G. Lukács heftig diskutiert wurde. Maxim Gorkis „Die Mutter“ (1906), Vorbild der frühen Revolutionsliteratur, wird im Theaterzirkel um Lili von Crailing und Konrad Hiller heimlich herumgereicht und eifrig gelesen. „Einen Satz aus dem Buch hat er [Konrad, B. S.] 1933 in seiner Gefängniszelle gelesen. ‚Auch in einem Meer von Blut könnt ihr die Wahrheit nicht auslöschen‘, stand dort mit Bleistift an die Kalkwand geschrieben.“ (S. 249). Die Theaterkünstler reihen sich bewußt in die Tradition des revolutionären Theaters ein und vertrauen darauf, diese Wahrheit durch ihr Schauspiel weitergeben zu können. Als sie nicht mehr auftreten können, organisieren sie sich im Widerstand, gehen in den Untergrund der Kanalisation von Wien. Mit der Flucht Hillers in die Schweiz endet der Roman.

Fair play oder Es kommt nicht zum Krieg vermag aus heutiger Sicht wohl – durch den historisierenden Filter betrachtet – zu berühren und als Exilroman zu interessieren, literarisch aber nicht wirklich zu überzeugen. Zu schematisch werden die Charaktere in ihren Beziehungen untereinander dargestellt, zu dick aufgetragen wirkt die politische Mission, zu klischiert die Bildsprache. Trotzdem – ein sehr lesenswertes Buch!

Rudolf Frank Fair play oder Es kommt nicht zum Krieg
Roman einer Emigration in Wien.
Berlin: Aufbau, 1998.
360 S.; geb.
ISBN 3-351-02826-1.

Rezension vom 10.09.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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