Die Auswertung der Akten der Agentur Paul Kohner ist besonders ergiebig. Kohner hatte beispielsweise dem 1904 in Budapest geborenen Andrew Marton, dem jüngeren Bruder des berühmten Literaturagenten George Marton empfohlen, sich bei MGM vorzustellen. Das war der Anfang seiner Karriere als Second-Unit-Regisseur, er hatte immer Arbeit, aber seine glänzende Second-Unit-Regie bestimmte sein Schicksal und war sein „Todeskuß“ (142), er wurde zum „top second unit director“ für die internationale Filmbranche und kam nie wieder in die erste Reihe. Ähnlich erging es dem 1902 in Wien geborenen Regisseur Reginald LeBorg. Er drehte erfolgreich zahlreiche B-Pictures, konnte sich nie aus dieser Gefangenschaft befreien, zumal er seine Verachtung fürs Studiosystem oft und laut äußerte (155, 156-167). Zu anderen Regisseuren werden ebenfalls bisher unbekannte Quellen herangezogen, so wurden in den Fritz Lang Papers fünf Kartons mit Briefen und Manuskripten gefunden, darunter der Briefwechsel zwischen Berthold Viertel und Fritz Lang, einige Briefe werden hier abgedruckt (146-153).
Verachtung für die Studio-Zwangsjacke (113) äußerte auch Friedrich Torberg. Ihm gelang es aber, wieder nach New York zu entkommen. Torberg hat in den Erben der Tante Jolesch beschrieben, wie es war, der zehnte und jüngste der Outstanding Anti-Nazi-Writers gewesen zu sein (andere waren z.B. Heinrich Mann und Leonhard Frank), die von Warner Brothers einen Jahresvertrag mit 100 Dollar pro Woche erhielten. (I) Nach dem Film Voice in the Wind erhielt Torberg seriöse Angebote für andere Drehbücher, ging aber lieber nach New York. (II) Sein Anteil an diesem „mit Heimweh getränkten“ (279) Film über das Schicksal eines von Nazis verfolgten Künstlers kann exemplarisch für die Exilschriftsteller herausgegriffen werden. Er schrieb darüber 1944 einen besonders prägnanten Text für den Aufbau, der hier abgedruckt wird und für viele andere stellvertretend steht – ein „low budget quickie“, sei es gewesen (449). Die künstlerischen Ziele des Produzenten waren es, Geld zu machen, der finanzielle Hintergrund des Regisseurs, gute Filme zu machen (450). „Der Film ist bemerkenswert neben anderen Gründen als ein höchlich erfolgreicher Versuch, endgültig das King’s English zu ermorden“ (451).
Es gelingt dem Verfasser besonders, die Vielfalt, die Unterschiedlichkeit der Schicksale und Karrieren zu erläutern. Er schließt mit der Tragödie der Remigration und mit Fritz Kortners umstrittenen Film Der Ruf (1949). Als dieser Film zu Kortners 75. Geburtstag 1967 wieder aufgeführt wurde, war die Empörung in Deutschland groß, daß es „ein Remigrant gewagt hatte, die Deutschen zu erinnern, zu mahnen und vor Gefahren der zukünftigen politischen Entwicklung zu warnen“ (650).
(I) Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch. München: Langen-Müller-Verlag, 1978, S. 221-29 u. 240.
(II) Frank Tichy leugnet in seiner Biographie (Friedrich Torberg. Ein Leben in Widersprüchen. Salzburg, Wien: Otto Müller-Verlag, 1995, S. 111-112 und 133-136), daß Torberg seriöse Angebote erhielt, allerdings ohne Angabe der Quellen.