Ben weiß nicht weiter. Studieren oder schon „richtig“ arbeiten? Heilpädagogik oder doch Lehramt machen? So ist es als Erwachsener: Entscheidungen über Entscheidungen und keine Zeit für Träumereien. Oder etwa doch? Da ist ja noch das Einhorn, „ein Memento seiner Fantasie, aus einer Zeit, als es noch Fantasie gab.“ Als imaginativer Berater begleitet er Ben bereits die ganze Jugendzeit hindurch. Doch die ist nun vorbei. Die Arbeitswelt ruft. Gemeinsam mit seiner Freundin Mara und Frederik nimmt Ben an einem dreistufigen Karriere-Wettbewerb teil. Der Hauptgewinn? Ein Praktikum in einem „Traumunternehmen“. Die erste Hürde, eine virtuelle Quizrallye, schaffen die drei – nach Ausnutzung eines Programmfehlers. Doch der weitere Weg ist steiniger als gedacht: überehrgeizige Konkurrenten, versperrte Klotüren, und auch ein überraschender Todesfall machen den Bewerb zu einer echten Herausforderung – und auch das Einhorn hat noch das ein oder andere Wörtchen mitzureden.
Mit Es glänzt und ist schön liefert Hernik Szanto sein Romandebüt. Einen Namen machte sich der gebürtige halb Finne, halb Ungar in den letzten Jahren vor allem als Slam Poet. Seit Herbst 2015 kommentiert er gemeinsam mit Jonas Schreiner im Videoblog „Slamsenf“ gesellschaftliche Themen. Apropos Senf, den gibt das Einhorn auch gerne dazu und kommentiert regelmäßig Bens Leben. Dabei scheut es auch nicht den Einsatz von Kraftausdrücken, allerdings nur um seine „eher poetisch-kitschige Natur zu konterkarieren“, wie es selbst gesteht. Nützliche Tipps für das Leben oder gar die Berufswelt hat es aber nicht parat. In der Welt der Online-Challenges, Assessment-Center und Trainee-Jobs bringt es Ben dann doch keinen Vorteil, aber das will es auch gar nicht. Es ist einfach da, ohne einen vermeintlich lebenspraktischen Grund. Oder anders gesagt: „es glänzt und ist schön.“
Nach den ersten paar Seiten fügt sich das Einhorn reibungslos in die Romanwelt ein. Es gerät gar in den Hintergrund und überlässt neben Ben auch den Nebenfiguren die Bühne. Da wäre Frederik. Penibel gekleidet, auf alles vorbereitet und scheinbar im Besitz eines Masterplans samt Ziel: ein Praktikum bei Bayer oder Siemens. Oder Laura, Studentin der Kunstgeschichte und Wirtschaft, die davon träumt Künstlerin zu werden, allerdings einen Mangel hat „an artistischem Talent, was sie nie davon abhielt, zu zeichnen und zu skizzieren.“
Ben ist auch gut im Skizzieren – seines Lebens. So heißt es in einem Gespräch mit seinem Freund Janko:
„Ich denke tatsächlich darüber nach, Lehrer zu werden.« Janko schlug die Augen auf. »Dein Ernst?« Nicken. »Du hast soziale Arbeit abgebrochen, was an sich schon Klischee ist, um Heilpädagogik zu studieren, und jetzt willst du das auch noch schmeißen? Für Lehramt? Dir ist schon klar, dass Leute selten abbrechen, um Lehramt zu machen?“
Es ist Bens „verdammter Idealismus“, der ihn verunsichert, ist sich Janko sicher. Bens Antwort hierauf offenbart das Leitmotiv des Romans: „Ich weiß nicht, was an Idealismus schlecht sein soll.“
Mit einer lockeren, bildhaften Sprache gelingt es Szanto meisterhaft die Probleme einer Generation einzufangen, die einerseits Idealen folgen möchte, doch nicht weiß, welche genau das sein sollen. Den eigenen Interessen nachgehen oder einen vorgefertigten Karriereplan befolgen? Der violette Umschlag samt Einhorn kann irritieren, doch die darin aufgeworfene Frage geht jeden etwas an: Was will ich aus meinen Leben machen?
Es glänzt und ist schön zeigt anhand seiner Figuren, dass es nicht auf das Grübeln über die eigene Zukunft ankommt, sondern auf das ständige Nach-vorne-Stolpern. Oder in Maras Worten:
„Ben – es ist okay, wenn man mit Mitte zwanzig nicht weiß, was man mit sich machen soll. Ich bin mir recht sicher, dass einige der wirklich interessantenVierzigjährigen es immer noch nicht wissen. Pläne zu haben, ist sinnvoll, aber man muss keinen Masterplan für sein eigenes Dasein entwickeln, besonders wenn man das eigene Dasein gerade erst noch am Entwickeln ist. Viel wichtiger ist doch, dass man handelt, wie es richtig und gut erscheint, und nicht unbedingt mit dem Ziel, dass sich am Ende alle Antworten offenbaren.“