„Es ist noch nicht lange her, da galt eine schreibende Frau für ein komisches Monstrum […], charakterisiert durch Tintenfinger, Brille und erotische Unzulänglichkeit“, schreibt Gina Kaus 1929 (S. 8). Angesichts der ersten Emanzipationserfolge müsse man aber fortan von Frauenliteratur sprechen. Schließlich beschrieben die Autorinnen ja „dieses Bild der ’neuen Frau‘, schildern das veränderte Leben, dokumentieren aber auch die Schattenseiten dieser Aufbruchsjahre und das soziale Elend“ (so die Herausgeberinnen, S. 8). Anhand der Biographien, die den Texten der Autorinnen in dem Band vorangestellt sind, lassen sich einige Charakteristika der Frauenliteratur dieser Zeit erkennen: Zum einen benötigten Autorinnen trotz der Selbständigkeit, die sie meist in privaten Bereich erreichten, in beruflichen Dingen meist die Unterstützung ihrer männlichen Kollegen. Ohne Netzwerk keine oder kaum Chancen auf Erfolg, sozusagen. Der Großteil der Schriftstellerinnen kommt aus dem bürgerlichen Milieu, hat eine durchwegs gute Ausbildung genossen und arbeitet in „bürgerlichen“ Berufen, ist also nicht mehr von den Einkünften des/eines Mannes angewiesen. Viele Autorinnen engagieren sich politisch für die Linke, sozialkritische Erzählungen finden sich daher in ihren Werken nicht selten.
Wie ihre männlichen Kollegen schafften es viele Frauen literarisch erst mit dem Umweg über Deutschland. Wer dort, auf dem großen Markt, publizieren konnte, verfügte über einen beträchtlichen Startvorteil. Schon früh Erfolg hatte zum Beispiel Vicki Baum, die auch später Auflagen erzielte, von denen ihre Kolleginnen nur träumen konnten. Ebenfalls ein Bestseller war „Die Katrin wird Soldat“ von Adrienne Thomas, ein Antikriegsroman, der in 15 Sprachen übersetzt wurde.
Daß für viele Autorinnen der Anschluß an Hitlerdeutschland eine Zäsur darstellte, liegt auf der Hand – auch angesichts der Tatsache, daß sie noch weniger auf Netzwerke zurückgreifen konnten als Männer. Von den Autorinnen, denen die Flucht gelang, konnte nur Vicki Baum kontinuierlich und erfolgreich publizieren. Gina Kaus schrieb fortan für Hollywood, Adrienne Thomas lebte als Journalistin und von ihrer Anstellung bei einem Monatsmagazin in New York, Hermynia Zur Mühlen finanzierte ihre Leben mit Übersetzungen, Veza Canetti, Mela Hartwig und Lili Körber konnten im Exil – aus unterschiedlichsten Gründen – nicht an ihr literarisches Schaffen anknüpfen. Für viele schreibende Frauen gab es auch nach dem Krieg kaum Chancen, gehört und gelesen zu werden.
Wie tragisch manches Schicksal war, führt uns Erfolg und Verfolgung vor Augen. Daneben macht das Buch Texte von Autorinnen zugänglich, von denen es heute noch immer wenig bis gar nichts auf dem Buchmarkt zu kaufen gibt. Einzig die Tatsache, daß der biographische Teil in manchen Fällen umfangreicher ist als die anschließenden literarischen Texte, mag für manchen ein Wermutstropfen sein. Interessant wäre es auch gewesen, von den Herausgeberinnen ein wenig mehr zu der – doch sehr unterschiedlichen – literarischen Qualität der vorgestellten Texte zu erfahren. Diesbezüglich heißt es nur, daß sich die Frage der literarischen Wertung unter einer geschlechtsspezifischen Perspektive anders stelle und der literarische Kanon demnach hinterfragt werden müsse. Doch wie sich die Frage stellt und welche Auswirkungen das auf den literarischen Kanon hat, darüber erfährt man leider nichts Genaues – eine Entscheidung, die von den Herausgeberinnen wohl aus Platzgründen getroffen wurde.