Zunächst scheint es, als ob Rosa Pock ein leichtes und unterhaltsames Stück geschrieben hätte, ohne höhere Ansprüche gestellt zu haben. Sie beschreibt ein Leben, das den LeserInnen völlig irreal vorkommt: eine kleine Familie lebt in einem kleinen Dorf, in einer idyllischen Landschaft. Ihr Leben ist von großen Problemen verschont, man unterhält sich über Liebe und sorgt sich nicht über Arbeitslosigkeit, selbst wenn Probleme auftreten, werden sie schnell gelöst. Im Leben der Familie herrscht der banale Alltag, am Sonntag wird zusammen gegessen und im Sommer fährt man an die italienische Riviera. Die Figuren selbst sind in ihrer Seltsamkeit dermaßen verschärft, dass man den Eindruck gewinnt, es handle sich eher um eine Karikatur, und am Schluss kulminiert das Ganze in einem großen Fest, wo alle glücklich und harmonisch zusammen feiern, ein nettes Finale, das eine schöne Zukunft für alle verspricht.
Dem banalen Leben der Erwachsenen steht jedoch die junge Erzählerin mit ihrem ernsthaftem Reflektieren über die Realität gegenüber. Rosa Pock widmet ihr Buch ihrer Tochter Emily Artmann, und es scheint, als ob Pocks Erzählung ein Lob der Tüchtigkeit der Jugend gegenüber den Erwachsenen sei. Die junge Erzählerin ist tatsächlich durch ihre Auseinandersetzung mit ihren Eltern und in ihrem Hinterfragen die Schlüsselfigur. Es sind gerade die Gedanken dieser „Protestlerin“, die die Konturen der absurden und desillusionierten Welt der Erwachsenen zeigen. Sie reflektiert nicht ohne Kritik über die Wirklichkeit, sie ist skeptisch, stellt Religion und/oder Politik in Frage, sie philosophiert über die Existenz und greift jene Widersprüche auf, die den Erwachsenen nicht mehr auffallen.
Im Leben der Erwachsenen herrscht tatsächlich eine gewisse Apathie gegenüber der Geschichte sowie das Gefühl, der Mechanik eines höheren Gesetzes ausgeliefert zu sein: während der Vater behauptet, dass es keinen Zufall gebe, befragt die Tante ein Pendel, das die Antwort auf Fragen bezüglich Zukunft und Liebe geben kann. Zudem erweitert sich der Familienkreis durch einen Astrologen, der neu ins Dorf gekommen ist, und somit ist die Palette des „fatalistischen Glaubens“ komplett. Überspitzt stellt die Autorin eine Gesellschaft dar, die nicht wagt, in das Leben einzugreifen, sondern der Existenz einer höheren Macht vertraut, einem „etwas“, das unabhängig vom menschlichem Handeln funktioniert. Wenn die Tochter protestiert: „Die Welt ist ungerecht, überall, wie im Geschichtsunterricht, noch immer Not und Elend, und mein Vater liegt die meiste Zeit nichts als faul in der Gegend herum. Ich will einen Vater, der mit mir gemeinsam auf die Straße geht, um gegen diese Not zu kämpfen, und eine Mutter, die ihn nicht sein lässt, wie er ist;“ dann erwidert der Vater: „Du musst mir zugestehen, etwas länger habe ich die Welt in ihren Mechanismen schon erfahren, du bist jetzt in einer Phase, wo du gegen alles und jeden bist“.
Gabriel Garcia Márquez schrieb über Mafalda, die junge Comicheldin des argentinischen Cartoonisten Quino, dass die Kinder die Verwahrer einer Weisheit seien, die traurigerweise mit dem Heranwachsen verloren gehe; man könnte meinen, dass auch Rosa Pocks Erzählerin zu diesen Kindern gehört. Sie hat alle Züge jener ProtagonistInnen der Comicwelt der siebziger Jahre, von Kindern wie Mafalda, die durch ihre Einfalt zu ehrlichen Chronisten der Wirklichkeit geworden sind. Rosa Pock lässt die Welt durch die Augen eines „Kindes“ filtrieren, und zeigt dadurch Teile einer absurden Gesellschaft; das Ganze scheint eine Groteske zu sein, die streckenweise zum Lachen bringen kann; sehr oft jedoch verliert man sich in den Überlegungen der Erzählerin und dies nimmt dem Ganzen viel an Lebendigkeit.