#Roman

Ein Paar

Martin Prinz

// Rezension von Peter Landerl

Es ist wohl als gutes Zeichen zu werten, wenn man als Rezensent ein Buch aufschlägt und es erst wieder schließt, wenn man auf der letzten Seite angelangt ist. Zugegeben, Ein Paar, der neue Roman von Martin Prinz, hat zwar „nur“ 151 Seiten und ist auch deshalb an einem Abend zu konsumieren, aber es ist der perfekten Spannungsdosierung des Autors zuzurechnen (die er vor allem in seinem ersten Roman „Der Räuber“ ebenfalls glänzend beherrschte), dass das Buch den Rezensenten nicht losließ.

Doch der Reihe nach: Martin Prinz erzählt in seinem Roman, der eigentlich eine Erzählung ist, die Geschichte eines Paars: Susanne ist Journalistin, leitet das Wellness-Ressort einer Tageszeitung, Georg arbeitet als Sportwissenschaftler. Die beiden sind Mitte dreißig, im Beruf erfolgreich, wohnen in einem eigenen Haus am Stadtrand von Wien, sind Weinkenner, haben Freunde. Krankheiten oder finanzielle Probleme kennen sie nicht. Dem gemeinsamen Glück steht eigentlich nichts im Wege, doch spüren beide, dass ihrer Beziehung etwas fehlt.

Die Handlung setzt ein, als sich Susanne auf den Weg nach Hamburg macht, um dort ein neues Wellness-Hotel zu testen. Im morgendlichen Wiener Winterfrühverkehr beschließt sie spontan, den Alltag hinter sich zu lassen und macht sich ohne Georg davon zu informieren auf den Weg in den Süden, nach Grado, die Stadt der Kindheit. Vorher aber macht sie einen Abstecher nach Lassing. Das Grubenunglück hat sich tief ins österreichsche kollektive Bewusstsein eingegraben: Bilder vom Krater mitten im Ort, von den fieberhaften Bohrungen, von der Rettung des Bergmanns Hainzl, der nach mehr als einer Woche gegen alle Erwartungen lebend aus dem verschütteten Pausenraum geborgen werden konnte.

Als das Unglück passierte, war Susanne in der Nähe von Lassing als freie Mitarbeiterin der Zeitung unterwegs, um für eine Reportage über das österreichische Langlaufteam zu recherchieren. Zur rechten Zeit am rechten Ort nutzte sie ihre Chance und übernahm die Koordination für die Berichterstattung. Am Tag, als der verschüttete Bergmann doch noch geborgen wurde, machte Georg ihr einen Heiratsantrag. Lassing hatte ihr berufliches Glück gebracht – kurze Zeit später wird sie festangestellte Redakteurin, sie aber auch langsam, kaum merklich, aber stetig, wie das Einfamilienhaus im Lassinger Krater versunken ist, ins private Unglück gedrängt. „Susanne hatte es noch genau im Ohr, das gleichmäßige und monotone Geräusch der Pumpen, zu dem die Bergmänner durch den unbeschädigt gebliebenen Förderstollen weiterhin in den Berg hinuntergefahren waren. Tatsächlich hatte es so gewirkt, als habe man die Situation im Griff. Obwohl der Krater weiterhin größer geworden und auch das Haus immer weiter darin abgerutscht war. Doch gerade die Bewegung des Hauses war eine gewesen, die man nicht zuletzt aufgrund ihrer Gleichmäßigkeit mit freiem Auge kaum ausnehmen hatte können.“

Geschickt setzt Prinz die Geschichte des Grubenunglücks parallel zur Beziehungsgeschichte Susanne und Georgs. Susanne sucht im winterlich trüben Lassing nach den Spuren der Katastrophe, lässt die Ereignisse minutiös Revue passieren. Wie Lassing von illegalem Abbau unterhöhlt worden war, gibt es auch in Susanne und Georgs Beziehung schwarze Löcher, unbekannte Hohlräume, ein Liebesvakuum: Georg entdeckt während Susannes Abwesenheit zufällig, dass sie mit Sebastian, einem verheirateten Künstler, eine Beziehung hatte. Auszüge ihrer leidenschaftlichen E-Mail-Korrespondenz montiert Prinz ebenfalls in den Text, der nun auf drei Ebenen seinem Schluss zuläuft, der nicht verraten werden soll. Das Bohren nach Georg Hainzl (der nicht zufällig den gleichen Vornamen hat wie Susannes Ehemann) wird zum Sinnbild für die Suche Susannes nach den Ursachen ihrer Beziehungsprobleme. Nach außen scheint die Ehe nicht schlecht zu funktionieren, unter der Oberfläche ist sie hohl.

Der Lassing-Strang dürfte vielleicht für manche Geschmäcker ein wenig zu viel Platz in der Erzählung einnehmen, an manchen Stellen beschlich den Leser das Gefühl, ein Lassing-Buch vor sich zu haben, wieder mitzufiebern im Wettlauf der Zeit um die Rettung des im Berg eingeschlossenen Mannes. Vielleicht könnten manche Kritiker auch monieren, es sei von Prinz (zu) billig kalkuliert, mit Hilfe von Lassing Quote zu machen. Doch zählen die Schilderungen der Suche nach dem Bergmann zu den gelungensten Stellen im Buch. Prinz versteht es, aus dem Lassinger Grubenunglück, aus Susannes Fahrt in den Süden, aus Reflexionen über das Klettern und das Ausdauertraining von Langläufern, aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen Sebastian und Susanne und schließlich aus der Beschreibung von Georgs Wochenende eine stimmige, kurzweilige, plastisch greifbare Geschichte zu mixen.

Die Hauptfigur des Buchs ist Susanne, aus ihrer Perspektive wird weitgehend erzählt, Georg bleibt im Vergleich etwas unterbelichtet, er ist passiver als sie, ein bisschen weniger erfolgreich, er hat einen Fehler gemacht, doch er ist der Liebe fähig. Auch er macht sich auf in den Süden. Werden die beiden wieder zusammenfinden?

Martin Prinz Ein Paar
Roman.
Salzburg, Wien: Jung und Jung, 2007.
151 S.; geb.
ISBN 978-3-902497-28-4.

Rezension vom 08.10.2007

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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