#Roman

Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe

Bernhard Moshammer

// Rezension von Emily Walton

Es ist ein breitenwirksames Thema, das Bernhard Moshammer in seinem zweiten Buch Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe aufgreift:
Es handelt von der Liebe – die jeden betrifft.

Nicht übersehen werden sollte dabei die Doppelbedeutung des Titels: Ja, die Liebe kann schrecklich grausam sein. Sie kann aber auch schrecklich schön sein. Und genau diese Facettenvielfalt versucht Songwriter und Musiker Moshammer auf 196 Seiten aufzugreifen.
Er präsentiert einen Liebesroman der etwas anderen Art. (Der tote oder auch schlafende Hund auf dem Buchdeckel tut sein Nötiges, um dem Leser darauf hinzuweisen, dass dies keine gewöhnliche Herz-Schmerz-Geschichte ist.)

Im Zentrum steht Benjamin Vogel, der sich mit 15 Jahren in die coole, ältere Feli verliebt, die sitzengeblieben und neu in seiner Klasse ist.
Sie kommen zusammen. Feli bestimmt fortan Benjamins Leben. Bis Feli Benjamin verlässt, ihm das Herz bricht und er sich schwört, die Liebe für immer bleiben zu lassen. Er beschreibt sich selbst als einen Mann, „der sich das Unemotionale antrainiert hat wie ein anderer das Nichtrauchen“.
Moshammer führt den Leser auf eine Zeitreise und springt in den Kapiteln zwischen der Vergangenheit (die Zeit mit Feli, die Achtziger) und der Gegenwart (Jahr 24 n. Feli) hin und her. Wie geht es dem erwachsenen Protagonisten ohne die Liebe?
Mit fast 40 Jahren führt Benjamin einen eigenen Buchladen in St. Pölten. Er ernährt sich von Tiefkühlkost und kümmert sich um seine Mutter, die nach 42 Ehejahren ihren Mann verloren hat. Später sogar dann aus Liebe zu ihm stirbt.
Benjamin trottet durch den grauen St. Pöltner Alltag, bis er Maria kennenlernt. Nach Jahren lässt er sich wieder auf die Liebe ein. Wird es ein Höhenflug oder ein Absturz? Und was passiert, wenn Feli nach 24 Jahren auf der Matte steht?

Es ist ein moderner, jugendlicher Entwicklungsroman, den Moshammer im Milena Verlag vorgelegt hat. Kurz: Es geht um das Erwachsenwerden, das Reifen.
Benjamin schildert die Unsicherheiten eines Teenagers beim ersten Geschlechtsverkehr oder beschreibt wie es ist, wenn man entdeckt, dass Sex in der Praxis völlig anders ist als in den Hochglanz-Porno-Heften. („Während wir uns küssten, drängte meine Hand zwischen ihre Beine, aber Feli presste die Oberschenkel zusammen. Durfte ich das nicht? Was machte ich falsch? Ich wusste es nicht. Ich wusste nichts. Die Frauen in den Pornos hatten ganz offensichtlich nie ein Problem damit, ihre Beine zu spreizen.“ S.84)
Es geht um den Druck, der auf einem jungen Menschen lastet, bevor er sich selbst gefunden hat. Wie soll Benjamin die Freundin beeindrucken? Und kann er je mit Felis coolem Exfreund Raimund mithalten?
Aus all diesen inneren Konflikten spinnt Moshammer einen unterhaltsamen Roman mit einem liebenswürdigen Helden, mit dem der Leser schnell mitfiebert. Fast hat man Mitleid mit Benjamin, will ihn an der Hand nehmen und ihm helfen, Selbstbewusstsein aufzubauen.
Den Prozess des Erwachsenwerdens schildert der Ich-Erzähler in einem frechen, flotten, selbstironischem Ton, der das Lesen zu einem kurzweiligen Erlebnis macht. (Passagenweise erinnern die Erzählungen des jungen Benjamin an die Geständnisse des Tagebuchschreibers „Adrian Mole“ von Sue Townsend.)

Auf der Handlungsebene gibt es allerdings wenige Überraschungen.
Liebe, Sex und Kummer stehen natürlich im Vordergrund dieses Werks. Aber Moshammer bemüht sich auch, Zeitgeschichte hineinzuweben, indem er die jugendlichen Figuren politisch aktiv sein lässt. (Sie diskutieren etwa über die Rettung der Hainburger Au.)
Die ständige Suche der Protagonisten nach Halt und Sinn im Leben macht das Buch lebensnah. Es regt dazu an, sich an die eigene Jugend zu erinnern.
Die schrecklich war. Mal schrecklich schmerzhaft. Mal schrecklich schön.

Bernhard Moshammer Ein kurzer Roman über die Schrecklichkeit der Liebe
Roman.
Wien: Milena, 2011.
200 S.; brosch.
ISBN 978-3-85286-202-6.

Rezension vom 28.04.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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