Dieses Buch enthält neben in einem Vortrag zu Roland Barthes verwendeten eine Vielzahl weiterer Embleme, insgesamt 104 eben, wobei diese Zahl – wie Gsaller in seiner Einleitung informiert – auf den Begründer der emblematischen Form, den Mailänder Rechtsgelehrten Andrea Alciato mit seinem „Emblematum Liber“, zurückgeht. „Die 104 Embleme von Ein Ding vorher wurden auf kombinatorische Art und in assoziierender Weise gewonnen (Satz- und Bildelemente organisiert nach den semantischen Relationen Ähnlichkeit, räumliche/zeitliche Nähe und Gegenteil).“ (H. Gsaller)
Mit diesen, eine geschlossene „Darstellungs-Dreiheit“ ergebenden Sinn-Bildern besetzt Harald Gsaller ein weiteres Mal sein ganz eigenes Feld im Bereich zwischen Literatur und Bildender Kunst, ohne mit vordergründigen Mischkonzepten (Stichwort „Crossover“) beide überlappen zu wollen. Gsaller variiert die Form des Emblems, dessen Schrift-Bild-Kombinatorik, indem er von ihr abstrahiert, sie aber nie „sprengt“: Auch als Pictura (das Bild in der Mitte) dient in einigen Fällen ein selbst er- oder in fremden Quellen vorgefundener Satz (bzw. ein Satzfragment). Er schafft übergreifende Querverweise, indem er dieselben Elemente in verschiedenen Emblemen verwendet, und schafft in einigen Fällen Konstellationen der Vertauschung, der Spiegelung.
Das aus Sätzen und Wortgruppen bestehende Sprachmaterial bezieht Gsaller teilweise aus seinem eigenen Fundus von Sätzen, zum Teil aus historischen und/oder literarischen Quellen. Die Bildelemente beziehen Zeichnungen des Schweizers Yves Netzhammer ebenso ein wie private Photographien. Die emblematische Form schafft den stringenten Rahmen für die Heterogenität des Materials.
Die – kennt man Gsallers den „Emblemen“ vorangegangene Arbeiten – auffallende Mischung aus (natur-)wissenschaftlicher Akribie und künstlerischer Obsession, gepaart mit einem manieristischen Gestus, erzeugt bei der Lektüre, beim „Betrachten“ des Buches zwei gegenstrebige Wirkungen: einerseits eine semantische Offenheit, den Reichtum der textlich-bildlichen Assoziationsmöglichkeiten, andererseits die Unzugänglichkeit gegenüber jeder gleichsam „von außen“ an die Sammlung herangetragenen Interpretation.
Vielleicht schafft gerade diese Gegenstrebigkeit der Wirkung jene Unruhe, die den Boden für eine weitere Beschäftigung mit dem „einen Ding vorher“ bereitet.