Ausgehend von der Frage nach der künstlerischen Einschätzung des Schriftsteller-Protagonisten Stephen Marx kreist die Story rund um’s Schreiben selbst, um Anerkennung zwischen ehrlicher Kritik, purer Vermarktungsstrategie und Selbstfindung. Der Name des Helden steht dabei exemplarisch für alle prominenten „Marx“ der Geschichte, wie Karl Marx oder Groucho Marx. Mit seinem abgekürzten Vornamen, der aus „Stephen“ schlicht „St.“ macht, wird aus ihm „Saint Marx“ – der perfekte Selbstdarsteller.
Dieser St. Marx ist ein anerkannter Schriftsteller in New York. Kinderlos und mäßig gut verheiratet hat er ein umfassendes literarisches Werk vorzulegen, als er beschließt, seinen Tod zu inszenieren, um herauszufinden, ob er wohl tatsächlich in die amerikanische Literaturgeschichtsschreibung eingehen wird. Marx täuscht ein Segelunglück vor und taucht in San Francisco unter. Trotz hymnischer Nachrufe bleibt die Frage nach der wirklichen Qualität seiner Literatur für ihn ungeklärt, sodass er unter dem Pseudonym D. Mann mit einem Erstlingsroman hervortritt, den die Kritik (freilich!) umjubelt.
Zu allem verliebt sich Marx‘ „Witwe“ Miriam, die Gourmetrezepte für ein Kochbuch mit dem patscherten Titel „Geht’s auch andersrum“ schreibt, in Marx‘ schärfsten Kritiker Noah Berg. Dieser sieht wie Woody Allen aus und führt einen literarisch verunglückten Differenzierungsdiskurs über die Begrifflichkeiten „Rezensent“ und „Kritiker“, ist aber unglaublich sexy und zugleich integer. Schreiben und Lesen sind bei ihm stark sinnlich konnotiert, wenn der Starrezensent Noah die eigenen Besprechungen kommentiert:
„‚So schlecht war diese Rezension nicht. Kurt Vonnegut hat einen brutalen Rezensenten einmal mit einem Menschen verglichen, der volle Rüstung anlegt, um über ein Baiser oder ein Bananensplit herzufallen. Ich hatte bestenfalls ein Stilett bei mir. Und der Roman Ihres Mannes war auch kein üppiges Dessert.‘ Berg machte ein Gesicht, als fände er den Kaffee zu bitter.’Eher ein Hauptgericht mit zuviel Sauce. Aber das gehört der Vergangenheit an.'“ (S. 58)
Als vorantreibendes Handlungselement agiert eine junge ehrgeizige Journalistin namens Sabine Diehlsdorf, die eine Story sucht, um ihre Karriere zu starten. Sabine kommt durch Zufall hinter Marx‘ Geheimnis und findet als seine Biographin am Ende – wie kann es anders sein? – ihren eigenen Weg.
Dass die Realität eine literarische Infrastruktur sucht, einen Betrieb, der gewachsene Strukturen hat, davon will Djerassi nichts wissen. Ein wahres Genie ist sein Romanheld, voller Geheimnisse, der im Elfenbeinturm seine Kreativität sammelt, um sie im richtigen Moment der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dementsprechend vorhersehbar nimmt die Story ihren Verlauf und unterhält mit recht trivialen Mustern, ein bisschen Spannung, Botschaft und Klischees. Glücklicherweise aber nimmt Djerassi seine Figuren nicht bitterernst, sondern überhöht sie bis zur Skurrilität, die die ExponentInnen der schreibenden Zunft in eine Komödie liebenswert-lächerlicher Eitelkeiten bettet.
Des Eindrucks, dass die Distanz zwischen Autor und Protagonist verschwindend gering ist, wird sich die Leserschaft kaum erwehren können. Da preist beispielsweise Djerassi den eigenen Schreibprozess an, dass das Ego-Drama die Aufmerksamkeit des Lesers unbedingt verdiene (S. 10). Aber EGO ist ja auch ein deklariert selbstreflexiver Text: „Stephen Marx ist keine sympathische Figur – kaum jemand mit stark ausgeprägtem Ego ist das -, aber eine interessante und komplizierte Persönlichkeit. Ihn zu analysieren rief in mir viele auto-psychoanalytische Resonanzen hervor“ (ebd.).
Gar zu durchsichtig verfolgt Carl Djerassi die Frage, was von ihm selbst einst bleiben wird. Und wenn es nicht sein ausgefeilter sprachlicher Stil ist, dann immerhin eine der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, die die Emanzipation der Frauen in der heutigen Form erst möglich gemacht hat.
Kunst und Wissenschaft müssen eben nicht immer miteinander verwoben sein.