Die Zweiheit von historischer Forschung und Biographie manifestiert sich anhand einer Zusammenstellung unterschiedlichster Textsorten aus den letzten vier Jahrzehnten: Ein Interview, ein Zeitungsartikel, ein Nachwort im Zeichen der Herausgebertätigkeit, ein Beitrag in einem Sammelband, ein Kapitel und Auszüge einer Monographie, ein Aufsatz für eine Festschrift, vier Rezensionen – sie alle markieren den Schwerpunkt der Forschung mit der Theresianischen und Josephinischen Zeit als Ausgangspunkt für ein Österreich-Verständnis, dessen Wurzeln in den Traditionen aufklärerischer Zentren und Geheimgesellschaften von Edith Rosenstrauch-Königsberg in Pionierarbeit herausgearbeitet wurden. Ergänzt bzw. vorangestellt wird auf gut siebzig Seiten detailreich Biographisches, Lebensstationen der jüdischen Emigrantin – Remigrantin entlang eines von Beatrix Müller-Kampel entworfenen Fragebogens.
In mehreren Etappen entstanden, hält sich das Gespräch der Germanistinnen zweier Generationen, gemäß den Leitlinien fürs lebensgeschichtliche Interview, im großen an die Chronologie: Geboren 1921 und aufgewachsen in Wien im jüdischen Milieu „in wirklich kleinen Verhältnissen“, gelang Edith Rosenstrauch im Jänner 1939, damals 17jährig, zusammen mit ihrer Schwester die Flucht im Kindertransport nach England. Es folgte Fabriksarbeit, dann brach der Krieg aus. In London entdeckten die Schwestern das „Austrian Centre“ und die Stücke Jura Soyfers. Sätze mit eindeutiger Aussage, ein dokumentarischer Stil, auf Fakten gerichtet, der sich in den literarhistorischen Texten wiederfindet, dominieren die Erzählung der kulturwissenschaftlich denkenden Literaturforscherin.
Mit der Rückkehr bereits Ende August 1946 nach Österreich, inzwischen verheiratet und Mutter von zwei kleinen Kindern, konnte die junge Frau die Matura mit anschließendem Studium der Geschichte und österreichischen Literatur nachholen. Aufgrund einer jahrelangen Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei wurde ihr jedoch die klassische akademische Laufbahn verwehrt. Es ist ein Verdienst Müller-Kampels, diesen Lebensstationen einen umfangreichen Fußnotenapparat in Form detaillierter Kurzbiographien und Erklärungen zu Stichworten der vorwiegend österreichischen Kultur- und Geistesgeschichte beizufügen.
Ein Blick aufs Inhaltsverzeichnis lässt die klare Struktur des Buches erkennen: Biographie – Schriften – Rezensionen. Vermisst wird allerdings eine eindeutige Zuordnung der Texte, etwa in Form eines vorangestellten Kommentars der Herausgeberin, was Fragen provoziert: Wer schreibt hier für wen? Welcher Intention, welchen Kriterien unterliegt die im Vorwort von Ernst Wangermann so genannte repräsentative Auswahl und schließlich die Reihung der einzelnen Texte, was veranlasste beispielsweise zur Aufnahme der Rezensionen?