Auch in dieser zweiten Traumwirklichkeit möchte Elias dem ewigen Winter in seiner Stadt entfliehen. Nachdem er überraschend zu Geld kommt, löst er ein Zugticket, möchte in den Süden fahren, ans Meer. Doch der Zug entpuppt sich als Seilbahn, die ihn ins Hochgebirge bringt, wo erstmal Endstation ist. Elias kommt nicht in den Süden, nicht einmal über die Grenze gelangt er, denn die Passstraße ist gesperrt. Er entschließt sich also, zu Fuß weiterzugehen, verirrt sich im Wald, rettet sich in eine Hütte. Dort wird er gefunden, kommt in ein Dorf – aber nicht über die Grenze. Irgendwann steht er vor dem „Schwarzen Schloss“, lernt die Schlossherrin kennen, die ihm gleich ein Arbeitsangebot macht, sodass er eigentlich vorerst ganz in diesem „Niemandsland“, am Ende der Welt, jenseits der Zeit, bleiben könnte …
Das Spiel mit zwei Welten, mit Träumen, Phantasien ist nicht neu und es birgt immer die Gefahr, klischeehaft-platt zwei eindimensionale Bilder in Schwarz und Weiß zu malen. Für eine tatsächliche thematische Engführung zweier Welten, um also tatsächlich zwei Welten zu erschaffen, die einander berühren, ineinander verschwimmen, sich schließlich ganz durchdringen, braucht es schon einen klugen Kopf. Goubran gelingt das, und wenn am Ende die gleichen Sätze auftauchen wie im ersten Drittel – nur plötzlich eben in der anderen Erzählebene – ist der M.-C.-Escher-Effekt perfekt und man ertappt sich dabei, nicht mehr zu wissen, in welcher Ebene man jetzt gerade eigentlich steckt bzw. wo eben die eine in die andere hinübergekippt ist … so stark sind die beiden Welten, die Goubran in gewohnt poetischer Manier sprachlich erschafft, irgendwann miteinander vertäut.
Vielleicht dauert es anfangs ein wenig lang, bis alles ins Rollen kommt. Vielleicht wirkt das erste Drittel ein bisschen zu absichtslos erzählt. Es ist sicher keine schnelle Prosa, die Goubran schreibt. Aber das ist eigentlich auch gut so. Die Reflexionspassagen, die das Geschehen im gesamten Romanverlauf immer wieder bremsen, stören auch nicht, sie sind durchaus interessant und originell, etwa: „Was wir Realität nennen und uns als einzige Realität glauben, ist ein schmaler Grat, auf dem wir uns eingerichtet haben, eine Klippe im Irgendwo, die wir zu erhalten und abzuschotten versuchen.“ Oder: „Es gibt keine ,Verkommenheit‘ im Leben, nur die ,Vervollkommnung‘, und auf die haben wir keinen willentlichen Einfluß. Ob etwas gelingt oder nicht, hängt von Kräften ab, die wir beschwören und anrufen können, denen wir aber nicht befehlen. Das lehrt uns die Erfahrung. Wenn wir sie annehmen.“
Im Grunde ist Durch die Zeit in meinem Zimmer eine spielerische Reflexion über die Beschaffenheit der Welt, über die Relativität der so genannten Realität und über die Macht der Phantasie, die trotz kafkaesker Note und einer großen Portion Düsternis doch versöhnlich bleibt und in ihrer ganzen Anlage an ein Traumbüchlein der Schwarzen Romantik erinnert. – Ein durchaus interessanter, wohltuender literarischer Gegenentwurf zu vielen Mainstream-Büchern, die nichts anderes tun, als Realität reportagehaft zu affirmieren.