#Biografie

Durch die Welt nach Hause

Frederic Morton

// Rezension von Eva Magin-Pelich

Mein Leben zwischen Wien und New York.

Fred Astaire, oder mit bürgerlichem Namen Fritz Austerlitz, ist das Idol des kleinen Fritz in Wien. Jeden Sonntag darf er nach dem Cafébesuch mit der Familie ins Kino und erwartet mit Spannung „Ihn“, mit dem er sich verwandt fühlt: gleicher Vorname, österreichische Herkunft, und „nicht nur die dieselbe Anzahl von Silben, sondern auch dieselbe Anzahl von Buchstaben wie mein eigener: Mandelbaum.“

Fritz Mandelbaum ist der Welt heute bekannt als der Schriftsteller Frederic Morton, denn die Mandelbaums mussten ihre Heimatstadt Wien verlassen. Warum legen der Name und das Geburtsjahr 1924 des Schriftstellers dar: Die Machtübernahme Adolf Hitlers bedeutete auch für die Mandelbaums die erzwungene Auswanderung und den Verlust dessen, was man sich aufgebaut hatte. Morton war 14 Jahre alt, als der Familie die Emigration über England in die USA gelang. In Manhattan, dort wo auch die Filme Astaires spielten, begann ein neues Leben für die Mandelbaums. Frederic, wie Fritz nun hieß, arbeitete bei einem Bäcker, besuchte eine weiterführende Schule und studierte schließlich Literaturwissenschaften. Doch da schrieb er schon längst, wenn anfangs auch noch heimlich.

Durch die Welt nach Hause ist eine Autobiografie, die schon in der Form anders ist, als man spontan bei einer Biografie erwartet. Morton erzählt zwar chronologisch, doch notiert er für den Leser nur jene Episoden, die für sein Leben und seine Person exemplarisch und wichtig waren. Es sind einzelne Geschichten aus dem Leben Mortons, die in den USA, aber auch in Europa spielen. Hier hielt sich der Schriftsteller und Journalist immer wieder zu Recherchen oder im Auftrag von Magazinen für einen Artikel auf.
Es ist ein wunderbar selbstironisches Buch geworden, Morton weiß um seine „Macken“ und scheut sich nicht sie zu benennen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit seinem Vater, die Liebe zu seinen Eltern, aber auch das Abnabeln mit der Erkenntnis, dass das kaum möglich ist und er das „Muttersöhnchen“, wie seine Frau ihn nennt, bleiben wird. Es ist insbesondere der Vater, der ihn immer wieder beschäftigt, dem er ob seiner Eigenarten zürnt, ihn aber doch bedingungslos liebt : „Wen kümmert es, dass er mich an den Samstagen meiner Kindheit manipuliert hat und bei wer weiß wie vielen Gelegenheiten als Erwachsener danach über vierzig Jahre hinweg? Ich liebe, ich liebe diesen reaktionären Pfennigfuchser einfach samt seinem direkten Draht zu den Tiefen der menschlichen Seele.“

Der Leser erfährt aber auch von Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen wie Thomas Mann, der sich sehnsüchtig daran erinnert, wie er als Kind mit nassen Füßen durch den Sand lief, sich am letzten Ferientag nassen Sand in ein paar Schuhe füllte, diese heimlich mit nach Hause nahm. Köstlich auch das Kapitel „Weihnachten bei den Rothschilds“, wo Morton als eingefleischter Frühstücksablehner sich gegen den Butler erwehren muss, der auf den drei Ebenen seines Wagens Kessel, Töpfe, Warmhalteglocken mit allen erdenklichen Leckereien anbietet. „Wir sind (wenn auch heimlich) resolut respektlos, damit uns die Flut der Opulenz hier nicht zu sehr begeistert.“ Mortons Sicht auf die Dinge und Personen ist nicht nur interessant, sondern auch amüsant, zum Beispiel wenn er sich mit seiner Frau Marcia über Erlebnisse austauscht. Zielsicher erkennen sie die Komik im Leben. Dies gilt nicht nur für den Aufenthalt bei den Rothschilds.

Alles in allem sind Mortons Erinnerungen tragisch und witzig zugleich, sie zeigen die Schwierigkeiten, die eine Emigration mit sich bringt, die aber oft verschwiegen werden in der Freude und dem Optimismus, einen Neubeginn wagen zu können.
„Papa fühlt sich so wohl mit Warren, weil er in Warren eine Person aus unserem ursprünglichen Umfeld wieder gefunden hat, aus dem Wien vor unserer Flucht. Mein Vater hat aus ihm eine neue Version von Herrn Goldner, meinem früheren Nachhilfelehrer, gemacht. […]
Er wird schon lange mit den Merkwürdigkeiten seines zweiten Heimatlandes fertig, indem er sie zu Reinkarnationen von Personen oder Verhaltensmustern aus dem ersten macht. “

Das aber gelang Frederic Morton nicht, er blieb ein bisschen zwischen den Kulturen hängen, wie eben der Untertitel sagt: Mein Leben zwischen Wien und New York.

Frederic Morton Durch die Welt nach Hause
Autobiografie.
Wien: Deuticke, 2006.
319 S.; geb.
ISBN 3-552-06030-8.

Rezension vom 19.07.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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